Im Juli 2019 waren in der Schweiz 533'495 Milchkühe registriert. Gegenüber dem Vorjahresmonat hat sich der Bestand um 2 Prozent verringert, im Vergleich zu Juli 2012 sogar um 9 Prozent.

Die Entwicklung hin zu weniger Milchkühen sei vor allem Folge der besseren Effizienz und der gegenüber dem Ausland höheren Nutzungsdauer pro Kuh, so Reto Burkhardt, Sprecher der Schweizer Milchproduzenten (SMP). Obwohl die Anzahl der Milchkühe seit Jahren abnimmt, bleibt die Milchmenge stabil. Dafür muss die Produktivität steigen. Genauer: Genetik und Management müssen stimmen, wie der SMP-Sprecher erklärt: «In den letzten Jahren wurde insbesondere auf eine hohe Milchleistung gezüchtet.»  

[EXT 1]

Dass hier eine Trendwende stattgefunden hat, bestätigt René Bucher, Kommunikationsverantwortlicher von Swissgenetics: «Es gibt einen klar erkennbaren Trend hin zu langlebigen, robusten Milchkühen. Die Langlebigkeit haben wir deshalb sogar als Zuchtziel für unsere Stiere übernommen.» In der steigenden Produktionsleistung pro Kuh sieht auch er den Hauptgrund für die Entwicklung hin zu weniger Milchkühen.  

Nebst der Genetik spielt laut SMP auch der hohe Wissensstand der Landwirte eine Rolle. «Sie sind besser ausgebildet. Dank den Verbesserungen im Futterbau können die Landwirte das ganze Potential ihrer Kühe ausschöpfen, weil sie ihren Kühen eine optimale Fütterung und Versorgung bieten», so Reto Burkhardt.  

Trockenjahr 2018 hatte kaum Einfluss
Die gute Genetik kann ihr volles Potential entfalten, es wird viel Milch produziert, was zu einem tiefen Milchpreis führt. Viele Milchproduzenten hören auf zu melken, weil es sich bei den tiefen Milchpreisen nicht mehr lohnt. Der schlechte Erlös bei der Molkereimilch sei auch ein Grund, warum Betriebe die Milchproduktion aufgeben und damit der Milchkuhbestand immer weiter sinke, sagt Reto Burkhardt.  

Nicht nur Mutterkühe
Dass alle Milchproduzenten auf die Mutterkuhhaltung umstellen, sei eine Mär, wie Daniel Flückiger, stellvertretender Geschäftsführer des Verbands Mutterkuh Schweiz sagt. «Auf drei bis vier abgehende Milchkühe kommt vielleicht eine Mutterkuh», so Flückiger. Er weiss, dass sich viele ehemalige Milchproduzenten danach auf den Ackerbau konzentrieren, insbesondere im Talgebiet wo die Landwirtschaftsfläche es zulässt: «In den letzten Jahren hat die Mutterkuhhaltung zwar zugenommen, sie ist allerdings nur eine von vielen Alternativen.» Eine allgemeine Abnahme des Rinderbestandes bestätigt diesen Trend.

Momentan herrscht aber laut SMP eine ausgewogene Situation auf dem Milchmarkt. Eine Folge des Hitzesommers 2018, wo viele Landwirte ihre Kühe notschlachten mussten? «Grundsätzlich überlegt sich ein Landwirt jedes Jahr gut, ob er genügend Winterfutter für alle seine Tiere hat. Wenn das Futter im Sommer bereits knapp ist, wird er sich von seinen älteren Kühen trennen», so Burkhardt. Deswegen sei es normal, dass die Bestandeskurve in den Monaten Juli und August etwas abtauche. Entgegen den Befürchtungen hatte der trockene Sommer 2018 aber kaum Einfluss auf den gesamten Verlauf des Milchkuh-Bestandes.  

Wie lange kann das weitergehen?
Es stellt sich die Frage, wie lange der Trend noch weitergehen kann. Für René Bucher haben agrarpolitische Entwicklungen einen entscheidenden Einfluss auf die Anzahl Milchkühe. Der Anbieter für Rindviehgenetik ist bereits aktiv im Besamungsmarkt bei den Mutterkühen und auf dem internationalen Genetikmarkt involviert und wittert dort weiteres Potenzial.  

Beide Experten sind sich einig, dass der Bestand von Milchkühen weiter minimal abnehmen und dann stagnieren wird. Trends wie Nachhaltigkeit und Regionalität seien in der Agrarpolitik angekommen und werden auch von den Schweizer Milchproduzenten adressiert. «Ein Kriterium beim soeben eingeführten Standard Swissmilk Green ist eine langlebige Kuh», so Burkhardt.  

Das hat aber keinen Einfluss auf die Milchmengen. «Die Schweiz ist ein Wasser- und Grasland. Ich glaube, dass in Zukunft etwa gleich viel Milch produziert wird», schätzt der SMP-Sprecher die Situation ein. Verarbeitungsbetriebe müssten auch in Zukunft mit Schweizer Milch beliefert werden können: «Sonst drohen Milch-Importe, die nicht den hohen Schweizer Nachhaltigkeitsstandards entsprechen.»