Als die Fachzeitung «Schweizer Bauer» anlässlich der SwissExpo Anfang Jahr eine Umfrage über die Beliebtheit hiesiger Rinderrassen durchführte, war das Verdikt klar: 27 Prozent gaben an, Fan des Braunviehs zu sein. Original Braunvieh belegte mit 15 Prozent den zweiten Platz, gefolgt von Simmental und Holstein. Brown Swiss, Bruna oder Brune, wie Braunvieh auch heisst, ist aber nicht nur in der Schweiz eine beliebte Rasse, sie wird weltweit geschätzt.

Ihre Wurzeln liegen in einem Rind, das kaukasische Siedler zwischen 2000 und 800 vor Christus nach Zentraleuropa mitnahmen. Aus diesem Torf- oder Pfahlbaurind entwickelten sich in der Schweiz verschiedene Schläge – darunter der Appenzeller Schlag und der schwerere Schwyzer Schlag. Im Kanton Schwyz liegt denn auch vor je nach Quelle 600 bis 1000 Jahren die Wiege der eigentlichen Braunviehzucht: Im Kloster Einsiedeln züchteten Benediktermönche gezielt ein klassisches Dreinutzungstier, das man in der Zugsarbeit einsetzen konnte und das Milch und Fleisch lieferte.

Die Kunde dieser vielseitigen, robusten, fruchtbaren und langlebigen Rasse machte bald die Runde. Sie eroberte zuerst die Zentral- und Ostschweiz, wo sie mit 172 047 Herdebuchkühen immer noch die Hügel- und Berglandschaften östlich der Brünig-Napf-Reuss-Linie prägt, und dann die Grenzregionen Österreichs und Deutschlands.

Ausnahmekuh «Jane of Vernon»
Nach Übersee kamen die braunen Rinder im 19. Jahrhundert: 1869 landeten die ersten sieben Kühe mit einem Stier in den USA, gut 150 weitere Tiere, vor allem des Schwyzer Schlages, folgten die nächsten Jahre. Von ihnen stammten auch «Zurich» und «William Tell» ab, die als erste Kuh und als erster Muni 1880 im US-Herdebuch der «Brown Swiss», wie die Rasse in Nordamerika heisst, registriert wurden. 1906 stoppten die USA den offiziellen Import wegen der Gefahr von Maul- und Klauenseuche. Im gleichen Jahr erklärten die Amerikaner ihre Brown Swiss zur reinen Milchrasse, gaben ihnen Kraftfutter zu fressen und züchteten sie grösser und leistungsfähiger. Neue Massstäbe setzte «Jane of Vernon», deren Rekord bei 10 713 Kilogramm Milch lag. Die Ausnahmekuh starb 1945 im Alter von 17 Jahren und ist in den meisten Stammbüchern der US-Zuchten zu finden.

Zum Vergleich: Schweizer Braunvieh gab noch in der 1960er-Jahren nur 3641 Kilogramm Milch. In dieser Zeit wurden auch in Europa die Rufe lauter nach Kühen, die mehr Milch gaben. So kam die amerikanische
Genetik in die Schweiz. 1967 startete man mit der Einkreuzung von Brown Swiss in das hiesige Braunvieh. Mit der Folge, dass es längst auch hierzulande fast eine reine Milchrasse ist.

Allerdings gaben nicht alle Züchter und Landwirte die ursprüngliche Zweinutzungsrasse auf. Seit 1981 organisieren sie sich im Verband «Original Braunvieh» und züchten Tiere reinrassiger Schweizer Abstammung, bei denen die Milchleistung zwar auch gestiegen ist, dies aber nicht auf Kosten der Fleischigkeit gehen darf.

Zierlicher Allgäuer Dachs
Braunvieh ist in vielen Ländern anhaltend beliebt und gilt als eigene, lokale Zucht. Für die Amerikaner sind ihre Braunen «eine amerikanische Rasse», für die Eidgenossen eine urschweizerische. Auch in anderen voralpinen und alpinen Gebieten sind die Tiere seit Langem heimisch. Wie etwa im Süden Deutschlands mit seinen 129 494 Herdebuchkühen, wo früher mit dem Allgäuer Dachs der kleinste und zierlichste Braunvieh-Schlag des Alpenraumes lebte.

Für sein schleichendes Verschwinden im 19. Jahrhundert gibt es mehrere Gründe. Weil die Allgäuer Rinder als Zug- und Masttiere sehr beliebt waren, wurden sie rege gehandelt und verkauft. Während der Rinderpest gingen grosse Bestände verloren. Und schliesslich wurde der Allgäuer Dachs im Zug der aufblühenden Milchwirtschaft ab 1830 nicht mehr gezüchtet, sondern in der Milchproduktion eingesetzt.

Zuchtstiere aus Österreich und in erster Linie aus der Schweiz füllten die Lücken. Um 1900 dominierten Schweizer Stierlinien das süddeutsche Braunvieh, später waren es amerikanische. Erst in den 1980er-Jahren verschrieb sich der «Allgäuer Original Braunvieh Zuchtverein» dem Erhalt des alten Schlages, indem er gezielt Tiere kaufte. Heute gibt es gut 160 Muttertiere ohne Brown-Swiss-Blut.

K. u. k. geförderter Montafoner
Gleich erging es der «Graubraunen Gebirgsrasse Schlag Montafoner» aus dem Vorarlberg, von der es auch noch wenige reinrassige Tiere gibt. Dies war dereinst anders. Noch um 1800 herum soll es in Österreich 17 Braunviehschläge gegeben haben, die sich meist nur in der Farbe – braun oder grau – unterschieden. Das erste Tierzuchtförderungsgesetz der damaligen k. u. k. Monarchie beeinflusste den Siegeszug des Montafoners: Ab 1869 wurde nur noch der Einsatz solcher Stiere finanziell unterstützt.

Nicht mehr angesagt waren beispielsweise Tiroler Schläge wie der Lechtaler oder der Oberinntaler, obgleich sie damals bis nach Südtirol verbreitet waren. Südlich der Alpen kam die Rasse in Italien erst um 1850 an, zuerst in die Po-Ebene und dann auf dem ganzen Stiefel. Auch wenn das Braunvieh in Italien und Österreich längst mehr amerikanisch denn europäisch ist, bleibt es eine beliebte lokale Rasse mit 71 333 respektive 44 833 Herdebuchkühen.

Auch in Spanien hat Braunvieh aus dem Ausland die lokalen Schläge immer mehr verdrängt, seit das Land ab 1956 Kühe aus Österreich und vor allem der Schweiz importierte. Dennoch gilt die «Parda de Montaña» (die Braune der Berge) als spanische Rasse, die aus der Kreuzung von Braunvieh mit lokalen Schlägen entstand. Beliebt ist die Rasse mit ihren 4872 Herdebuchkühen vor allem im Norden, in den Kantabrischen Bergen und in den Pyrenäen.

Am Samstag, 30. November, findet in der Vianco Arena in Brunegg AG die Swiss Classic 2019 statt. Bei dieser Meisterschaft messen sich 18 Braunvieh-Züchtergruppen aus der ganzen Schweiz mit rund 180 Kühen.

www.swissclassic2019.ch