Antibiotika sind wahre Wundermittel. Seit der Anwendung von Penicillin ab dem Zweiten Weltkrieg sterben weit weniger Menschen an Infektionskrankheiten. Doch wegen der verbreiteten Einnahme und teilweise unsachgemässem Gebrauch verlieren immer mehr Substanzen ihre Wirkung. Denn Bakterien entwickeln schnell Resistenzen. In Europa sterben deshalb jährlich rund 25 000 Menschen an Erregern, denen Antibiotika nichts mehr anhaben können.

Basierend auf einem Aktionsplan der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat der Bundesrat vor zwei Jahren eine Strategie gegen Antibiotikaresistenzen lanciert. Dabei arbeiten drei Bundesämter zusammen und gleisen Massnahmen auf, die in der Human- und Tiermedizin sowie in der Landwirtschaft zur Anwendung kommen. Einige werden bereits umgesetzt, andere befinden sich erst in der Planungsphase.

Wenn Bakterien aus der Tierhaltung auf Menschen übergehen, übertragen sich auch deren Resistenzen. Dies passiert zum Beispiel beim direkten Kontakt mit Tieren sowie durch mangelnde Küchenhygiene. Hühner etwa sind häufige Träger von resistenten Darmbakterien. Auch hierzulande ist Pouletfleisch oft infiziert und muss deshalb besonders gut durchgebraten werden. Nach dem Verarbeiten von rohem Fleisch sollte man zudem die Hände und Küchenutensilien gut waschen.

Tiere gesund erhalten
Mit diversen Ansätzen versucht man nun, die Landwirte für einen sparsameren Umgang mit Antibiotika zu gewinnen. Der Einsatz der Mittel zur Leistungsförderung ist bereits seit 1999 verboten. Seit 2004 müssen die Medikamente stets von einem Tierarzt verordnet werden. Auch eine prophylaktische Anwendung ist nicht mehr erlaubt. Statt ganze Gruppen zu behandeln, untersuchen Tierärzte heute die einzelnen Tiere und beschränken die Therapie auf die tatsächlich kranken.

Besonders häufig kommen die Mittel in der Kälber- und Schweinemast sowie bei Milchkühen mit entzündeten Eutern zur Anwendung. Verschiedene Massnahmen sollen dazu führen, dass die Tiere gar nicht erst krank werden. Zum Beispiel dürfen Bauern neugeborene Kälber seit letztem Jahr frühestens nach drei Wochen in einen Mastbetrieb geben. Weil dort Tiere von verschiedenen Höfen aufeinandertreffen, ist das Ansteckungsrisiko hoch. Ausserdem ist das Immunsystem von Kälbern kurz nach der Geburt noch kaum ausgebildet. Um dies zu verbessern, will man die Tiere vermehrt mit Kolostrum versorgen, der Erstmilch ihrer Mütter, die reich an Antikörpern ist (siehe «Tierwelt» Nr.47 / 2017). Auch eine gute Hygiene in den Ställen sowie Impfungen würden zu einer besseren Tiergesundheit beitragen, erklärt Thomas Jäggi, Agronom beim Schweizerischen Bauernverband. «Es ist die Summe vieler kleiner Massnahmen, die zum Erfolg führt», sagt er. 

Tatsächlich ist bei den Tieren die Menge verabreichter Antibiotika seit 2008 um 45 Prozent auf 38 Tonnen zurückgegangen. Noch zu wenig weiss man jedoch darüber, welche Tierarten diese Medikamente erhalten und in welchen Haltungsformen sie vor allem zur Anwendung kommen. «Die Zahlen stammen aus dem Grosshandel», erklärt Stefan Kunfermann vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Im Rahmen der Nationalen Strategie wird nun ab 2019 eine Datenbank aufgebaut, die genauere Hinweise liefert. Werden Antibiotika in einem Stall besonders häufig eingesetzt, kann der Bund gezielt intervenieren.

Wichtig für die Vermeidung von Resistenzen ist nicht nur die Menge, sondern auch die Art der Antibiotika. Sowohl bei Menschen als auch bei Tieren gilt: Ein Mittel, das nur das Bakterium angreift, welches für die Infektion verantwortlich ist, fördert Resistenzen weniger als ein sogenanntes Breitband-Antibiotikum, welches ein ganzes Spektrum verschiedener Keime zur Strecke bringt. Für eine gezielte Abgabe braucht es jedoch eine Labor­untersuchung, die Zeit und Geld kostet.

Wenn in der Tierhaltung Präparate zum Einsatz kommen, die auch in der Humanmedizin wichtig sind, steigt die Gefahr, dass Resistenzen übertragen werden. Seit Neustem ist nun auch ein Rückgang bei dieser Gruppe zu verzeichnen, wie das BLV vermeldet. Doch die Angabe sei mit Vorsicht zu geniessen, sagt Thomas Jäggi vom Bauernverband: «Gewisse Antibiotika, die früher nur für Tiere verwendet wurden, gelangen heute auch bei Menschen zum Einsatz.» Ärzte greifen zu Reserve-Antibiotika, wenn Bakterien im Spiel sind, die auf herkömmliche Mittel nicht mehr ansprechen.

Nicht wirksam gegen Viren
Ein grosser Teil der Massnahmen des Bundes zielt auf die Humanmedizin ab. Auch in Arztpraxen und Spitälern ist der Umgang mit den Mitteln nicht immer optimal. Manchmal geben Ärzte die Medikamente sogar bei Krankheiten ab, bei denen sie erwiesenermassen keinen Nutzen haben. So werden die meisten Erkältungen sowie Grippe von Viren verursacht. Diese Erreger sprechen nicht auf Antibiotika an. Bei anderen Krankheiten wie etwa Blasen- und Ohrenentzündungen sind Antibiotika zwar manchmal angezeigt. Häufig könnte man aber auch mit sanfteren Therapien kurieren oder vorbeugen.

Experten erarbeiten jetzt Richtlinien für eine sachgerechte Abgabe, an denen sich Ärzte und Tierärzte orientieren können. Auch die Information der Bevölkerung stellt einen Pfeiler der Strategie dar. Wichtig zu wissen ist zum Beispiel, dass Antibiotika-Packungen stets aufgebraucht werden müssen. Häufig klingen die Beschwerden schon nach den ersten Tabletten wieder ab. Wenn man dann mit der Einnahme aufhört, überleben einige Keime, die mit dem Medikament in Kontakt gekommen sind, und können Resistenzen bilden. In Ländern, in denen Antibiotika niederschwellig abgegeben werden und zum Teil rezeptfrei erhältlich sind, sieht man Resistenzen häufiger. Ein grosses Problem stellt das Phänomen in asiatischen Staaten dar, zum Beispiel in Indien.

Die Strategie setzt zudem bei der Entwicklung neuer Substanzen an. Dieser Prozess dauert lange. Weil zugleich eine zurückhaltende Anwendung gefordert wird, schrecken Pharmakonzerne oft vor den immensen Forschungskosten zurück. Politiker wollen nun Anreize schaffen.

Um das Problem in den Griff zu bekommen, braucht es koordinierte Ansätze in allen betroffenen Bereichen. Manche Massnahmen scheinen aber auch denkbar einfach und zeigen bereits erste Erfolge: Seit die Spitäler zum Beispiel ihr Personal vermehrt dazu anhalten, nach jedem Patientenkontakt die Hände zu waschen und desinfizieren, ist bei einigen Keimen ein Rückgang von Resistenzen zu beobachten.