Das Würstchen ist weich und schmackhaft. Aromatisch auch der dazu servierte Federkohl. Und dem Ragout über den Tagliatelle merkt man an, dass es lange in der Pfanne geköchelt hat. Ansonsten fallen die Gerichte nicht besonders auf. Doch sie wurden aus Fleischstücken zubereitet, die heutzutage nicht mehr häufig auf den Tellern landen: In den Würstchen steckt Fleisch vom Herzen und Kopf eines Schweins; das Gemüse wurde mit ausgelassenem Fett vom Schweinebauch gedünstet und das Ragout besteht aus Kuhschwanz.

Aus Respekt vor den Nutztieren ist es den beiden passionierten Köchinnen Monika Zinnenlauf und Luzia Tschalär wichtig, möglichst viele Teile der geschlachteten Schweine, Rinder und Hühner zu verwerten. In ihrem kleinen Lokal namens Zinnenlaufs Gaststube im zürcherischen Küsnacht servieren sie deshalb immer wieder auch unüblich gewordene Gerichte wie Schwartenmagen oder knusprig gebratenen Schweinebauch.

Die beiden Frauen sieden Schweinsfüssli und Wädli aus, um ihre eigenen Sülzen und Fonds herzustellen, und wursten regelmässig selber. «Schweineschmalz ist ein guter Geschmacksträger», sagt Zinnenlauf und rührt in der Pfanne, in der das Fett leise vor sich hin simmert. «Die verbreitete Filet-Pickerei finde ich ethisch fragwürdig.» Wenn man schon ein Tier töte, solle man es gefälligst vom Kopf bis zum Schwanz verzehren. Ganz nach der Devise der aktuellen Kampagne namens allofit («all of it» bedeutet auf Englisch «alles davon») von KAG (Konsumenten-Arbeits-Gruppe) Freiland, an der sich die beiden Köchinnen beteiligen.

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Die beiden Köchinnen Monika Zinnenlauf und Luzia Tschalär.
Bild: Andrea  Söldi

Die Nutztierschutz-Organisation will auf ein Problem unserer modernen Ernährungsgewohnheiten aufmerksam machen: Wir Schweizer essen heutzutage vor allem Edelstücke wie Filet, Entrecôte, Koteletts und Pouletbrüstchen – alles, was man nur schnell in der Pfanne anbraten muss. Was länger gekocht werden muss, ist stark aus der Mode gekommen. Um unseren Hunger nach edlen Stücken zu stillen, werden diese häufig importiert – zum Beispiel Rindfleisch aus Südamerika und Pouletbrüstchen aus Ungarn und Brasilien. 

Nach Afrika oder in den Hundenapf
Weil die Konsumenten beim Fleisch besonders stark auf Schweizer Herkunft achten, wird vieles auch hier produziert. Die grossen Tierbestände gehen zum Teil mit einer wenig tierfreundlichen Haltung einher und verbrauchen viele Ressourcen. Zum Beispiel importiertes Kraftfutter aus Soja, für dessen Anbau Regenwälder abgeholzt werden. 

Nicht verkäufliche Stücke werden teilweise nach Asien und Afrika exportiert, wo sie die Menschen noch schätzen. Für die dortigen Bauern bedeutet das Billigfleisch aus reichen Ländern aber eine bedrohliche Konkurrenz. Zudem sind die Transportwege lang. Ein grosser Teil der verschmähten Teile landet auch in den Futternäpfen unserer Haustiere. Oder sie werden gar zu Biogas vergärt, wie es etwa zahlreichen ausgedienten Legehennen blüht.

Um mehr Edelstücke zu produzieren, werden zudem Tiere mit entsprechend grösseren Körperteilen gezüchtet: Hühner mit Riesenbrüstchen, die kaum mehr gehen können, oder Rinder, die aufgrund ihrer zusätzlichen Muskelmasse weniger fruchtbar sind und nicht mehr auf natürlichem Weg gebären können. «Die Tiere haben gravierende Haltungsschäden, sind krankheitsanfällig und zum Teil unfruchtbar», sagt Pascal Girod von KAG Freiland. «Das ist Tierquälerei.»

Bei den Gästen im Küsnachter Restaurant stosse der Kochstil auf Anklang, sagt Luzia Tschalär. Das Lokal setzt konsequent auf regionale, umweltfreundliche, saisonale und fair gehandelte Produkte und zieht damit eine bewusst konsumierende Kundschaft an. Auch fleischlose und vegane Gerichte stehen auf der Karte. Dennoch müssten sie auch Kompromisse machen, sagt Monika Zinnenlauf: «Für die Geburtstagsfeier des Grossvaters muss es halt meist doch das Filet sein.» 

Restaurants, die sich an der Kampagne beteiligen, und mehr Infos unter: www.allofit.ch.