Die Obstanlage von Christoph Lamprecht liegt auf einer Erhebung über dem Rhein am Rand von Eglisau ZH. Apfel- und Birnbäume stehen in langen Reihen, darüber die zusammengerafften Hagelschutznetze. Überall an den Zweigen sind kleine grüne Blätter zu sehen. 

Natürlicherweise tragen Bäume in manchen Jahren mehr und in manchen weniger Früchte – das Phänomen heisst Alternanz. «Wir streben jedoch einen regelmässigen Ertrag an», erklärt Christoph Lamprecht. Denn kann er in einem Jahr nicht liefern, springt vermutlich der Abnehmer ab. Deshalb ist das «Ausdünnen», also die Regulierung der Anzahl Äpfel, die an einem Baum hängen, eine wichtige Kulturmassnahme. «Sie beeinflusst den Ertrag, die innere und äussere Fruchtqualität, die Ernteleistung und den Blütenansatz im Folgejahr», erklärt Christoph Lamprecht. 

Es beginnt beim Bäumeschneiden. Hat ein Baum viele Knospen, schneidet Lamprecht ihn stärker. Denn jede Knospe bedeutet eine Blüte und eine Blüte potenziell einen Apfel. «Da der Baum eine beschränkte Energiemenge zur Verfügung hat, kann er entweder viele kleinere oder weniger grössere Äpfel produzieren», erklärt der Fachmann. Der Baum soll also nicht so viele Äpfel wie möglich tragen – sondern weniger Äpfel in einem bestimmten Kaliber. Das bedeutet Grösse und ist je nach Obstart und manchmal auch je nach Sorte verschieden. 

Beim Schneiden entfernt Lamprecht ausserdem kranke Holzteile. Wenn sie von Mehltau befallen sind oder verkrüppelt durch Blutlausbefall.

Steinmehl gegen Birnenblattsauger
Ab 10 Grad wird der Birnenblattsauger munter, der unter der Rinde von Birnbäumen überwintert. Die Larven saugen an Blättern und Blatt- und Blütenstielen, was zu Missbildungen an Blättern und Früchten führt. Christoph Lamprecht bringt dagegen Steinmehl aus, in Wasser gelöst. Das für den Biolandbau zugelassene Produkt wirke gut, sagt er. «Steinmehl ist eine elegante Methode, die Eiablage zu verhindern», sagt Lamprecht. Der Nachteil sei, dass Regen den feinen Steinmehlbelag abwasche und er möglicherweise mehrmals behandeln müsse. 

In manchen Jahren legt der Birnenblattsauger jedoch auch später noch Eier, dann kommen Lamprechts nicht um ein chemisches Mittel herum. «Im Frühling ist es sehr wichtig, dass die Bäume gesund in die Saison starten, dass sie nicht zu viele und nicht zu wenige Blüten tragen. Was wir hier verpassen, schleppen wir durchs ganze Jahr und schlimmstenfalls in die nächsten Jahre mit», erklärt Christoph Lamprecht. 

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Ausdünnen ist enorm wichtig
Während der Blüte steht erneut Ausdünnen an. Dazu setzen Lamprechts entweder eine Maschine oder ein Mittel ein. Die Maschine schlägt einzelne Blüten oder Blütenbüschel ab. Je nach Baumform und Obstart ist es sinnvoller, mit einem Mittel auszudünnen. «Wir warten zwei bis drei Schönwettertage ab, damit Bienen die Blüten befruchten können. Danach behandeln wir die Bäume mit einem verdünnten Stickstoffdünger, welcher die Blüten wie verbrennt. Sie sind dann bräunlich und für die Bienen nicht mehr attraktiv.» Wichtig sei die Anzahl Blüten pro Baum. Sind zu wenige da, könnten die Äpfel zu gross und damit als Speiseäpfel unverkäuflich werden. Sie gehen in die Mosterei oder in beschränkter Menge über die zwei Hofläden von Lamprechts weg.

Apfelwickler, Schorf und Mehltau 
Wird es Mai, fliegt der Apfelwickler ein. Der Nachtfalter ist der wichtigste Schädling im Apfelanbau. Hier arbeiten Lamprechts wie die meisten Obstbetriebe mit der aus dem Biolandbau stammenden Verwirrtechnik. Mit Pheromonen – also Sexuallockstoffen – behandelte Drahtstücke werden in der Anlage aufgehängt. «Damit riecht es überall nach dem Apfelwickler-Weibchen und die Männchen finden die weiblichen Tiere nicht», erklärt Christoph Lamprecht. Die sehr elegante Lösung sei auch im konventionellen Obstbau Standard.

Beim Apfelwickler kann es mehrere Generationen pro Jahr geben. Die Methode funktioniert im Sommer aber oft nicht ausreichend, weil die Pheromone bei den höheren Temperaturen rascher verdunsten. Dann setzen Lamprechts einen Virus ein, der die Schädlinge befällt. Auch dieses Mittel ist für den Biolandbau zugelassen. 

Der Obstanbau ist von Anfang bis am Schluss anspruchsvoll. Gegen die Ernte hin geht es vor allem darum, Lagerkrankheiten zu vermeiden. «Das Problem ist nicht, dass die befallenen Äpfel im Laden landen», sagt Christoph Lamprecht, «sondern dass sie unbemerkt ins Lager gelangen und dort andere anstecken.» Bei 50 Tonnen Äpfeln in einem Lager sei dies eine Herausforderung. 

Obst- und Weinbau Lamprecht Der Betrieb der Familie Lamprecht liegt in Eglisau ZH auf mehrere Standorte verteilt. Da sind zwei Obstanlagen mit Äpfeln und Birnen, Ackerland mit Zuckerrüben, Grünspargel, Erdbeeren und Schnittblumen, Rebflächen, Grasland für die acht Mutterkühe mit ihrem Nachwuchs und zwei Hofläden, einer in Eglisau und einer in Wil ZH. Auf dem Betrieb arbeiten neben Christoph und Amina Lamprecht auch Christophs Eltern sowie diverse Helferinnen und Helfer während der Ernte.

www.lamprecht-obstbau.ch

Während der Vegetationszeit sind Schorf und Mehltau die Hauptkrankheiten. Gegen beide Pilze brauche es mindestens zehn Behandlungen. «Gegen Schorf setzen wir früh im Frühling Kupfer ein, das desinfiziert und verhindert den Ausbruch», erklärt Lamprecht. Kupfer wird ebenfalls auch im Biolandbau eingesetzt. Wenn die Anlage sauber sei, könne man danach grössere Pausen machen. Schorf sei heimtückisch. «Die Pilzsporen verschleppen sich in der Anlage, wodurch der Druck im nächsten Jahr von Beginn weg höher ist.» Gelangen Äpfel mit Schorf ins Lager, bildet der Pilz Sporen, die andere Äpfel anstecken und zu viel Foodwaste führen. Gegen Lagerkrankheiten hätten leider nur chemisch-synthetische Mittel eine Wirkung, sagt Lamprecht.

Robuste Sorten weniger gefragt
Es gibt Apfelsorten, die gegenüber Mehltau und Schorf robuster sind. Die beiden Pilze befallen diese Sorten trotzdem, richten aber weniger Schaden an. Daher sind bei solchen Sorten nur zwei bis drei Behandlungen nötig. Klingt toll! Warum bauen die Obstbauern nicht mehr davon an? «Die Bevölkerung tut sich sehr schwer, unbekannte oder neue Apfelsorten zu kaufen», erklärt Christoph Lamprecht. Beim Wein sei es dasselbe. Bei der Erneuerung der Anlage interessierte er sich für «pilzwiderstandsfähige» Rebsorten. «Aber dieser Wein stösst nur auf wenig Interesse. Nun ist es halt wieder Riesling Silvaner.»

Aufgrund der Klimaerwärmung tauchen neue Schädlinge und Krankheiten auf, die sich bisher bei uns nicht wohlfühlten. Sorgen bereitet Lamprecht zurzeit die marmorierte Baumwanze. Sie saugt an den Früchten, deformiert und verfärbt sie. Der Ernteausfall könne bis zu fünfzig Prozent betragen. Dagegen gäbe es im Moment nur ein sehr scharfes Mittel. Weil das für seine über Jahre aufgebaute Nützlingspopulation schlecht wäre, verzichtet der Obstbauer darauf. Zurzeit gibt es Versuche mit einem aus China stammenden Nützling: Die Samuraiwespe legt ihre Eier in die Eier der Baumwanze, so dass sich diese nicht entwickeln. 

In der Anlage von Lamprechts hängen die Pheromonstreifen gegen den Apfelwickler vom letzten Jahr und an einzelnen Bäumen umgedrehte Tontöpfe mit Holzwolle. «Sie sollen Ohrenkneifer anziehen, die die Eier des Birnenblattsaugers fressen», erklärt der Obstprofi, der auch Wildbienenhotels im Einsatz hat. Nützlingspopulationen aufbauen, viele Mittel aus dem Biolandbau, wie wäre es mit der Umstellung auf Bio? «Das ist durchaus ein Thema», sagt Christoph Lamprecht, «aber im Moment läuft es mit den Abnehmern gut. Und im Hofladen stellen wir fest, dass es den Menschen wichtiger ist, dass die Äpfel qualitativ top sind und aus der Region stammen, als dass sie vollständig Bio sind.»

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