Luna ist ein richtiges Mädchen: Kaum ist die Kamera auf die schwarze Lama­stute gerichtet, macht die 13-Jährige ein Schnütchen, reisst ihre schwarzen Augen mit den beeindruckend langen Wimpern fotogen weit auf und wiegt den Kopf hin und her. Beifallheischend schaut sie ihre Begleiterin an, als ob sie fragen wollte: «Mach ich das gut so?» Hippi ist schüchterner. Der 16-jährige weisse Wallach geht zwar gerne voran, zu viel Aufmerksamkeit aber ist ihm suspekt. Diego schliesslich zieht alle Blicke auf sich: Zwischen den Ohren des 12-jährigen braunen Wallachs steht ein überlanger Pony ab – eine Frisur, die auch bei Teenager-Buben gerade hoch im Kurs steht.

Luna, Hippi und Diego leben in Höri im Zürcher Unterland. Vor 15 Jahren haben Albert und Greth Meier auf die Kamele aus den südamerikanischen Anden umgesattelt. Zuvor hatten sie Kühe. Doch dann befand das kantonale Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft 2003 das Gülleloch für nicht mehr gut genug. «Wir hätten einen neuen Stall bauen müssen», sagt Albert Meier.

Bei einer Turnerfahrt begegnete er im Berner Oberland Lamas. «Ich kam zurück, sagte, dass ich Lamas will, und erntete Gelächter», erinnert sich Albert Meier schmunzelnd. Doch lange überzeugen musste er weder Frau noch Sohn. Bald verliess die letzte Kuh den Hof und Albert Meier erwarb in Chile zwei trächtige Stuten. 2004 startete «Meier Lamas» mit neun Tieren. Heute besteht die Herde aus 21 Lamas, die meisten gehören den Meiers, einige halten sie als Pensionstiere.

Mehr als Liebhaberei
Lamas und Alpakas stammen aus den Anden in Südamerika und werden auch Neuweltkameliden genannt. Die Lamas wurden als Lasttiere und Fleischlieferanten gezüchtet, die Alpakas ihrer feinen Wolle wegen. In der Schweiz waren sie zuerst in Zoos zu sehen. Seit den 1980er-Jahren importierten auch Private Lamas. Aus der Liebhaberei ist regelrecht ein Boom geworden. Die Nutztierstatistik 2018 weist über 2800 Lamas und mehr als 3500 Alpakas aus. Einige Landwirte setzen ganz auf die Kamele aus der Neuen Welt, andere halten sie als Ergänzung zu hiesigen Nutztieren. Viele bieten Touren mit den wolligen Gesellen an. Eine Auswahl an Adressen:

BE: www.lama-ranch.ch
BE: www.alpaak.ch
BE: www.barbecue-lamatrekking.ch
BE: www.lamatrek-jungfrauregion.ch
BL: www.lama-erlebnis.ch
GL: www.lamatouren.ch
GR: www.lamaventura.ch
LU: www.lamatrekking-fluehli.ch
OW: www.lamatrekking.ch
SG: www.bislin-lama-trekking.ch
SO: www.lamatrekk.ch
TI: www.lama-trekking.lima-city.de
VS: www.berg-adventure.ch
ZH: www.weinlaender-lamas.ch

Während der Sohn für den Ackerbau zuständig ist, organisieren die mittlerweile pensionieren Albert und Greth Meier Anlässe mit den Lamas, darunter viele Geburtstagsfeste und Firmenanlässe. Regelmässig kommen ganze Schulklassen vorbei. Während Greth Meier für das Kulinarische verantwortlich ist, begleitet ihr Mann die Gruppen auf die Spaziergänge. Lamas seien gelehrig und sanftmütig und deshalb geeignet für Kinder ab sieben Jahren, erklärt Albert Meier, während er Hippi, Luna und Diego für die Tour mit der «Tierwelt» vorbereitet.

Der Mensch ist der Chauffeur
Mit einer Bürste wischt er Heureste und Staub von den Tieren. Dann besprayt er Kopf und Ohren als Schutz gegen Mücken und Bremsen – ein Vorgang, den die Lamas mit unwirschem Schnauben und heftigem Ohrenwackeln quittieren. «Gleich spucken sie», sagt jemand in der Runde. Doch nein, Lamas

bespucken weniger Menschen, sondern vielmehr sich gegenseitig, wie Meier betont. «Im Streit und wenn sie geärgert werden, bespucken sie sich am Hals und am Kopf.» Und sie spucken während des Fressens in die Luft, um den anderen Tieren mitzuteilen, «jetzt bin ich dran.» Denn Lamas, so Meier, haben Futterneid. Sie fressen so lange Gras, Heu und Silage, bis der Magen voll ist. Danach werde wiedergekäut und dann wieder gefressen.

Mittlerweile sind Diego, Luna und Hippi aufgehübscht und parat für die Tour. Albert Meier gibt ihren Begleitern noch ein paar Verhaltensregeln auf den Weg: «Weil Lamas schreckhaft sind, den Strick nie um die Hand wickeln, sondern nur halten.» Wir seien die Chauffeure und sollten links vor den Tieren laufen. Kaum geht es los, übernimmt Hippi das Zepter. Er kennt den Weg entlang der Felder der Familie Meier den Höriberg hinauf. Immer wieder äugt er nach links und rechts, manchmal geht der Kopf ruckartig in die andere Richtung, die Ohren hin- und herwackelnd. Einmal kreuzt eine Joggerin den Weg der Gruppe, ein andermal nähern sich neugierige Kühe dem Zaun ihrer Weide. «Lamas sind sehr aufmerksam», bestätigt Meier, «sie hören sehr gut und sehen noch besser.»

Luna sieht vor allem überall saftiges Gras und nutzt jede noch so kleine Unaufmerksamkeit der Person am anderen Ende der Leine. Husch, husch rupft sie einige Büschel Gras aus, richtet sich wieder auf und vertilgt den Happen genüsslich. Nicht anhalten, sondern kurz an der Leine rupfen und weitergehen, rät Albert Meier. «Kinder machen das besser. Sie haben keine Hemmungen, während Erwachsene schon fast Angst haben, zu heftig zu ziehen.»

Also gibt die Chauffeuse Luna den Tarif durch und hält sie vom Dauermampfen ab. Kurz vor der Hälfte des Weges bleibt die Stute stehen. Bockstill. Gutes Zureden – geschenkt! Denn Luna muss mal. Nachdem sie ausgiebig gepinkelt und geköttelt hat, ist sie umso schneller. Trabend schliesst das Duo zu den anderen auf. Lamas können bis zu 45 Kilometer pro Stunde schnell rennen. Und sie tun dies durchaus gerne, nimmt Hippi doch die Aufforderung seines Begleiters zum Trab sofort an und scheint dabei zu lächeln.

Einfach zu haltende Tiere
Diego dagegen trottet meist träge hinterher und legt sich bei einem Futterhalt kurzerhand hin. Immer wieder tönt er knurrend und grunzend in die Landschaft. «Er will nach Hause», sagt Albert Meier. Tatsächlich: Kaum ist der Hof in Sichtweite, befindet sich Diego an vorderster Front. «Tock, tock, tock», macht es bei jedem seiner Schritte. Sehr wahrscheinlich müssen die Klauen gestutzt werden. Die Klauenpflege sei das einzig Aufwendige, sagt Meier, ansonsten seien Lamas sehr einfach in der Haltung.

Einmal jährlich, meist im April, bevor es warm wird, werden sie geschoren. Doch auch so sind sie kuschelig weich und strahlen eine wunderbare innere Ruhe aus. Spaziergänge mit den sanften wolligen Gesellen haben etwas Beruhigendes und Entschleunigendes –und fast schon etwas Medidatives, wenn sie ihre Chauffeure aus ihren schönen grossen Augen anschauen.

www.meier-lamas.ch