Wer Hanni und Victor Huber das erste Mal besucht, ist zunächst erstaunt. Vor dem Eingangstor deutet nichts darauf hin, dass sich hier ein Eselheim befindet. Es sieht eher nach einer Naturoase aus, angesichts des üppigen Baum- und Pflanzenbestands. Tatsächlich befanden sich bis vor Kurzem auf dem Gelände in Feldbach ZH eine Gärtnerei und Baumschule. Betritt man das Grundstück und geht ein paar Meter weiter, zeigt sich aber ein ganz anderes Bild, eines mit einem Wow-Effekt. Von einem grosszügigen, gepflegten Auslauf (Paddock) blicken einen 29 neugierige und treuherzige Augenpaare an. Sie gehören zu den von der Familie Huber aufgenommenen Eseln, die fast alle eines verbindet: eine traurige Vergangenheit.

Da ist zum Beispiel Edina. Sie hatte Abszesse an den Hufen und konnte nur noch auf den Zehen laufen. Innerhalb von wenigen Wochen päppelten die Hubers die Eselin wieder auf. Mittlerweile kann sie dank speziellen Hufeisen wieder normal laufen. Runa dagegen konnte als Fohlen keine Milch von ihrer Mutter trinken. Da eine Aufzucht mit der Flasche zu aufwendig gewesen wäre, sollte sie «entsorgt» werden. «So schnell wird also ein Tier zum Wegwerfprodukt», sagt Hanni Huber mit einer Mischung aus Zorn und Enttäuschung in der Stimme.

Als das Tierspital Bern die Nachricht überbrachte, war für das Ehepaar Huber klar, dass sie Runa nicht ihrem Schicksal überlassen, sondern bei sich aufnehmen würden. Heute ist sie ein stolzes und überaus hübsches Tier. 

Das gilt auch für die deutlich kleinere Aline. Sie bewegt sich wegen eines kranken Hufs nur langsam, dafür aber zielstrebig auf ihren Besuch zu, um sich eine Streicheleinheit abzuholen. Mit der 27-jährigen Namensgeberin des Eselheims fing für die Hubers vor rund 22 Jahren alles an. Damals retteten sie das Pferd Chimir vor dem Metzger und brauchten für das Ross einen Partner.

Langes Warten auf den Neubau
Die Wahl fiel auf Aline, die in einem erbärmlichen Zustand war, sich aber schnell erholte. Als Chimir im Jahr 2008 starb, brauchte wiederum Aline einen Gefährten. Aus einem Esel wurden bald drei, dann fünf und irgendwann zehn Langohren. «Es handelte sich um kranke und abgeschobene Tiere. Wir nahmen so viele auf, bis wir keinen Platz mehr hatten», erinnert sich Victor Huber. 

Deshalb musste unbedingt ein Neubau her. Bis dieser verwirklicht werden konnte, dauerte es allerdings fast zehn Jahre. «Die kantonalen Vorschriften haben unser Projekt lange Zeit blockiert. Es war ein grosser Kampf mit den Behörden», sagt Hanni Huber und macht keinen Hehl daraus, wie sehr sie das ärgert. Doch die Geduld und Beharrlichkeit der Hubers haben sich gelohnt. Entstanden sind moderne Stallungen, die auf dem Dach Solarzellen haben und Platz für bis zu 50 Esel bieten. Sie verfügen zudem über zwei Futterküchen, eine Nasszelle mit Höhensonne zum Trocknen und einen abgetrennten Bereich für pflegebedürftige Tiere.

Das ist Victor Huber sehr wichtig. Denn das Eselheim sei nicht nur eine Auffang-, sondern auch eine Rehastation. «Tiere aufnehmen kann jeder, pflegen aber nicht. Wir machen das und nehmen temporär auch Esel vom Spital auf, um sie gesund zu pflegen», sagt Huber. Dafür setze er neben chinesischen Behandlungsmethoden wie Akupunktur vor allem auf Heilpflanzen. Damit habe er schon manchem Esel geholfen, der von Veterinären bereits abgeschrieben war. Dabei profitiert der Tiefreund von seiner jahrzehntelangen Erfahrung als Gärtner und den damit verbundenen Pflanzenkenntnissen.

Über einen reichen Erfahrungsschatz im Umgang mit Eseln verfügt Huber ebenfalls. Er stellt daher die These auf, dass sich das Eselleben in vier Phasen aufteile, in denen schwere Erkrankungen auftreten: vom 1. bis zum 5., vom 10. bis zum 15., vom 20. bis zum 24. und vom 30. bis zum 34. Lebensjahr. Der gebürtige Aargauer empfiehlt daher Eselhaltern, in diesen Zeiträumen besonders gut auf ihre Tiere zu achten und kleinste Krankheitsanzeichen sofort ernst zu nehmen. «Das Wichtigste ist es aber, sich mit seinen Eseln intensiv auseinanderzusetzen – und zwar jeden Tag», betont Huber. 

Als Dank gibt es Zuneigung
Das tun die Hubers zusammen mit der Stiftungsrätin Ursula Hofstetter, die sich um administrative Aufgaben kümmert, aber auch die Esel regelmässig umsorgt, und der diplomierten Pferdepflegerin Natascha Lehner. Die Tiere danken ihnen den unermüdlichen Einsatz mit jeder Menge Zuneigung. Als Victor Huber den Paddock betritt, wird er gleich von mehreren Eseln umlagert. Er geniesst diese Aufmerksamkeit sichtlich, lacht, wenn ihn ein Langohr anstupst und nennt die Eselschar liebevoll «Kinder». 

«Esel sind so wunderbare und intelligente Tiere», sagt Huber. Seine Frau pflichtet ihm bei. «Esel haben völlig zu Unrecht den Ruf, störrisch und dumm zu sein.» Um dem entgegenzuwirken und die Werbetrommel für die unterschätzten Tiere zu rühren, haben die Hubers den Tag des Esels ins Leben gerufen. Er findet schweizweit am 24. November statt, also unmittelbar vor der Weihnachtszeit, in der Esel die meiste Aufmerksamkeit bekommen. «Wir erhalten zwar viele Anfragen für Umzüge, nehmen diese aber nur an, wenn wir auch dabei sein können, um sicher zu sein, dass unsere Esel gut und artgerecht behandelt werden», sagt Victor Huber. Aus diesem Grund soll im nächsten Jahr eine hügelige Wüstenlandschaft entstehen, der ursprüngliche Lebensraum der Langohren. Spätestens dann ist das Eselglück endgültig perfekt.

www.eselhilfe.ch