«Alles voller Hühnermist», sagt Anna und schaut sich interessiert ihre Füsse an. Nichts von wegen «grusig» oder «igitt» ist von den Kindern zu hören, die an diesem Morgen fleissig die Hühner mit Körnchen füttern. Arin kuschelt derweil mit einer braunen Henne. Die Tiere sind an Kinderhände sichtlich gewöhnt und scheinen die Aufmerksamkeit sogar gackernd zu genies­sen. Anna streckt sich genüsslich. Ein wahrlich tierisch toller Start in einen neuen Tag.

Acht Kinder zwischen 18 Monaten und sechs Jahren besuchen heute das Chälbliland in Amriswil. Noah ist der jüngste an Bord und der grösste Strahlemann von allen. Kein Wunder: Bei so einem bunten Treiben auf dem Hof hat schlechte Laune gar keine Chance. Silvia Thalmann meldet sich bei ihrer Tochter Anja ab. Der Ofen will eingeheizt werden. Frisches Brot backen steht am Vormittag auf dem Programm.

Anja ist der Liebling der Kita-Kinder. Die 20-Jährige steckt in der Ausbildung zur Fachfrau Betreuung und hat die Kinderschar trotz ihres jungen Alters voll im Griff. So war es auch ihre Idee, eine Bauernhofkita zu gründen. Die erste und immer noch einzige im Kanton Thurgau. Mutter Silvia leitete bereits seit zehn Jahren eine Spielgruppe auf dem Hof. Der Schritt zur Kita war aber grösser als erwartet, die Anforderungen sehr hoch. Heute kann jedes Familienmitglied sagen, dass sich der Aufwand gelohnt hat. Nicht nur Anja und ihre Mutter sind in den Kita-Alltag involviert. Auch Hofchef Rolf Thalmann ist eine wichtige Bezugsperson für die Kinder und hat eine Vorbildrolle inne, schliesslich ist er der «Herrscher» des riesigen Kuhstalls mit all seinen Bewohnern. 

Anja und die Kinder verabschieden sich von den Hühnern, die nach so vielen Körnchen aus den kleinen Kinderhänden bestimmt satt sind. Wie jeden Tag werden nach den Hühnern die Milchkühe in Rolfs Stall gefüttert. Und natürlich auch die frechen Kälber, die die fleissigen Kinder stets neugierig beobachten.

Weitere Adressen
Spielgruppen und Kinderkrippen auf Bauernhöfen sind in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden. Viele befinden sich zwar auf einem Hof, die Kinder helfen aber nicht im Alltag der Bauern mit. Bei einigen gehört der Kontakt zu Tieren und Natur zum Kita-Alltag wie beispielsweise bei der «Kita Heugömper» in Hellbühl LU, bei der «Kinderkrippe Hüehnernäscht» in Uezwil AG, bei der «Kita Bauernhof» in Habstetten BE oder der «Kinderkrippe Purzelhof» in Fällanden ZH.

www.bauernhofkrippe.ch

www.kinderaufdembauernhof.ch

www.purzelhof.ch

www.kinderkrippe-uezwil.ch

www.kitaheugoemper.ch

Übersicht Spielgruppen auf Höfen:
www.ig-bauernhofspielgruppe.ch

Spass garantiert – mit Sicherheit 
Mit orangen Kinderschaufeln versorgen die grösseren Kinder die Tiere mit frischem Heu. Wie Bauer Rolf es jeweils tut, stemmt sich Anna nach getaner Arbeit die Arme in die Hüfte und nickt zufrieden. Der kleine Tim schaut derweil etwas skeptisch hoch zum Dachstock. Mit einem grossen Kran fährt ein Mitarbeiter hin und her. «Die sind fleissig am Bauen, Tim. Aber dir kann nichts passieren», erklärt Anja. «Wenn sie fertig sind, schauen wir uns die Sache mal an, okay?» – Tim nickt und grinst zufrieden.

Nebst Spiel, Spass und Lernen ist die Sicherheit der Kinder das höchste Gebot im Chälbliland. Ist Rolf Thalmann mit dem Traktor auf dem Hof unterwegs, wird im eingezäunten Gemüsegarten gespielt, angepflanzt oder geerntet. Lara studiert unterdessen die Ohrmarken der Kühe. «67,70,68», liest die 5-Jährige konzentriert vor und bekommt ein dickes Lob von Anja. Anna wischt sich eine blond gelockte Haarsträhne aus ihrem Gesicht. Nach einer kurzen Pause schnappt sie sich wieder ihre Schaufel, um noch mehr Heu zu verteilen. Der Stall ist auf dem neusten technischen Stand und ein wahrer Traum für die Kühe. So haben sie stets Zugang zur Weide und können selbst entscheiden, ob sie drinnen oder draussen sein möchten. Dank einer automatischen Melkmaschine können sich die Tiere rund um die Uhr melken lassen. Diese Flexibilität erlaubt es den Thalmanns überhaupt, die Kita zu führen. 

Silvia Thalmann steht in einem Anbau
neben dem Wohnhaus – ein kleines Häuschen nur für die Kita-Kinder mit einem grossen Ofen, der noch mit Holz angefeuert wird. Die Brotteige hat die Bäuerin und Kita-Leiterin bereits vorbereitet. Nun wollen diese von den Kindern zu lustigen Tieren geformt werden. Nach der grossen Kuhfütterungs-Aktion geht es aber zuerst zum Händewaschen. «Die Kinder lieben es, wenn sie abends etwas Selbstgemachtes mit nach Hause nehmen dürfen», weiss Silvia Thalmann. Voller Freude entstehen so herzige Brotschildkröten und vieles mehr. Es ist schon bald elf Uhr und die Bäuerin macht sich auf in die Küche.

Die Kita-Leiterinnen gehen mit den acht Kindern nach draussen auf den Spielplatz. Ob Sonne, Regen oder Schnee – es gibt kein Tag, an dem die Kita-Gruppe nicht an der frischen Luft ist. Denn ob Hühnermist an den Schuhen oder Matsch an den Hosen: In einer Bauernhof-Kita darf man dreckig werden. Bis das Mittagessen fertig ist, wird geschaukelt. Währenddem Rosalin die grosse Liegeschaukel anstösst, denken sich die Kinder Geschichten aus, wohin sie wohl mit der Schaukel fliegen könnten.

Ganz geschafft, aber glücklich
Noah möchte zu den Kaninchen in ihren Stall. Da der kleine Mann noch nicht alleine laufen kann, beschäftigt sich Anja mit ihm. Noah wartet geduldig, bis sich ein weisses Häschen blicken lässt und munter auf ihn zuhoppelt. Oberhalb des kleinen Spielplatzes erstreckt sich ein grosser Wald. Täglich geht es darin auf Entdeckungstour. Vor allem wenn das aktuelle Thema passt, macht so ein Ausflug in den Wald viel Spass. Das Hexen-Thema blieb den Kindern am besten in Erinnerung. So wurden Zauberkräuter gesucht und aus Holz Zauberstäbe gemacht. Die Bauernhofkita-Kinder lernen so Spannendes über die Natur und Waldtiere. 

Nach einer Partie Fangen ruft Silvia Thalmann zu Tisch. Die Gerichte sind stets
gesund, fein und frisch. Oft helfen die Kinder auch bei der Zubereitung mit. Vieles kommt aus dem eigenen Garten, den die Kinder mitpflegen, und die Eier stammen natürlich von den Hennen. Die kleineren verziehen sich nach dem Essen ins Schlafzimmer, das mit Matten ausgelegt ist. Die grösseren freuen sich derweil auf eine Abkühlung im Planschbecken. Ihr gemeinsames Ziel: Anja nass zu spritzen! Und das mit Erfolg. Die junge
Betreuerin rennt kreischend über den Hof, kehrt den Spiess dann um und versucht die frechen Kinder zu erwischen. Mutter Silvia schaut dem ganzen lachend zu.

Man merkt, dass die ganze Familie Freude an dem Projekt hat. Noch gähnend gesellen sich die Kleinen nach dem Mittagsschlaf zu der Gruppe. Tim möchte in den «Fuhrpark». Damit ist ein Unterstand gemeint, in dem die verschiedensten Gefährte für Kinder in Reih und Glied stehen. Kindertraktoren, Laufräder, Velos oder Trottinette warten darauf, dass die Kinder mit ihnen über den Hof düsen. Der Kitatag nähert sich langsam dem Ende zu und die ersten Eltern treffen um 17 Uhr auf dem Hof ein. Ganz geschafft und glücklich von so einem abenteuerlichen Tag lassen sich die kleinen Bäuerinnen und Bauern in die Arme ihrer Eltern sinken. Da kommt Anna etwas in den Sinn: «Die Brote dürfen wir nicht vergessen», ruft der Wirbelwind. 

www.chaelbliland.ch