Die beiden Landwirte hatten auf ihrem Familienbetrieb in den Jahren 2008, 2012 und 2016 Fälle der Bovinen Virus-Diarrhoe (BVD), die fast ausschliesslich Rinder befällt. Gefährlich ist die Krankheit vor allem, wenn sich das Virus vom Muttertier auf das ungeborene Kalb überträgt. Gemäss Tierseuchengesetz müssen infizierte Kälber euthanasiert beziehungsweise ältere Tiere geschlachtet werden.

Über ein Viehhandelsunternehmen soll der 61-jährige Bauer im Sommer 2016 gemäss Anklageschrift wissentlich acht BVD-positiv getestete Kälber an Betriebe in den Kantonen St. Gallen, Graubünden und Zürich verkauft haben, wo die Tiere später getötet werden mussten.

Rundgang auf dem Betrieb
Am heutigen Dienstagmorgen versammelte sich auf Antrag der Verteidigung ein Gruppe von 15 Personen auf dem Familienbetrieb. Anwesend waren das Gericht, der Staatsanwalt, die Verteidigung, zwei Bestandstierärzte, ein Zeuge, die Medien, die Privatklägerschaft und die beiden Beschuldigten.

Der 41-jährige Sohn hat den Hof mittlerweile vom Vater übernommen. Der ehemalige Betriebsleiter führte durch den Betrieb und erklärte die Arbeitsabläufe. Im geräumigen Stall stehen rund 140 Kühe. Seitlich angelagert befindet sich die Abkalbebox, wo die Mutterkühe gebären – je nachdem auch zwei oder drei Muttertiere gleichzeitig. Bei ihm habe es phasenweise viele Zwillinge gegeben, sagte der 61-Jährige.

Da es sich nicht um einen Mastbetrieb handelt, werden die Tiere rasch verkauft. In separaten kleineren Boxen werden die Kälber relativ kurz nach der Geburt von den Muttertieren getrennt gehalten. Bis zu vier Kälber stehen in solchen Boxen zusammen. Die meisten Kühe säugten nur ihre eigenen Kälber, sagt der Bauer. Darum erkenne er in 99 Prozent der Fälle, welche Tiere Zwillinge seien.

Den Stall komplett räumen
Als das Seuchengeschehen 2016, als er noch Besitzer des Betriebs war, bekannt wurde, sei es kompliziert geworden. Er habe vorgeschlagen, einfach den ganzen Stall komplett zu räumen. «So hätten wir Ruhe gehabt», sagte der Bauer. Das Veterinäramt sei darauf nicht eingegangen.

Vielmehr seien die Betriebsabläufe durcheinander gebracht worden. Der Arbeitsaufwand sei dadurch enorm gestiegen. «Das habe ich in meiner Zeit als Landwirt noch nicht erlebt.» Er habe aber nach besten Wissen und Gewissen gehandelt und nie wissentlich ein BVD-positives Kalb verkauft. Die Verkäufe negativ getesteter Kälber sei ihm trotz Seuchensperre bewilligt worden. Ein Anruf beim Amt habe genügt.

«Zwillingsgeburten» fingiert
Laut Anklage sollen der Landwirt und sein Sohn «Zwillingsgeburten» fingiert haben, indem sie jeweils zwei Ohrmarken-Nummern pro Kalb in der Tierverkehrsdatenbank (TVD) registrierten. So sei es ihnen gelungen, negative BVD-Testresultate gesunder Kälber mit einer dieser Nummern zu verknüpfen und damit Käufer und Amtsstellen glauben zu lassen, dass es sich bei den verkauften Kälbern um gesunde Tiere handelte.

Zudem soll der Schweizer für das nichtexistente, «kranke» Zwillingskalb Entschädigungen vom Kanton kassiert haben, weil er es einige Tage nach Geburtstermin aus der TVD austragen liess unter der Angabe, das infizierte Tier abgetan zu haben, wie es das Tierseuchengesetz verlange. Abgetan wurde damit aber nur eine Nummer, kein Tier.

Er soll den tatsächlichen Bestand von 129 auf 81 Milchkühe reduziert und so fürs Erntejahr 2016 seine Nährstoffbilanz geschönt haben. Dank dieser soll er knapp 67'000 Franken mehr an Direktzahlungen erhalten haben als ihm aufgrund seines tatsächlichen Stickstoff- und Phosphatüberschusses zustanden.

Die Staatsanwaltschaft macht den Vater hauptverantwortlich. Sein Sohn soll jeweils Beihilfe geleistet haben, in dem er am Computer entweder selber TVD-Einträge vorgenommen oder – wo dies nicht möglich war – telefonisch «Abgänge» von Kälbern und Kühen gemeldet oder falsche Zwillingsgeburten bei bereits registrierten Einzelkalb-Geburten nachgemeldet habe.

Den Beschuldigten wird Betrug, Urkundenfälschung, vorsätzliche Verbreitung von Tierseuchen und vorsätzliche Tierquälerei – alle Delikte mehrfach begangen – vorgeworfen.