Wir schreiben das Jahr 2038. Japan droht in einer Hundegrippe unterzugehen. Ob Streuner, Wächter oder Schosshündchen, keine Schnauze ist mehr trocken. Also wendet sich der Mensch gegen seinen besten Freund: Bürgermeister Kobayashi lässt alle Hunde einfangen und auf die städtische Müllinsel deportieren.

Es ist nicht gerade ein heiteres Szenario, das den Zuschauer in den ersten Minuten des neuen Wes-Anderson-Films begrüsst. Doch bevor überhaupt Zeit zum Mitfühlen und Empören ist, fesselt «Isle of Dogs» – die Insel der Hunde – durch seine schiere Bildgewalt. Wie schon vor fast zehn Jahren in «Der fantastische Mr. Fox» hat Regisseur Anderson für seinen neuen Streifen die Stop-Motion-Technik angewandt. Das heisst: Er hat alle Figuren und Hintergründe als 3-D-Miniaturmodelle hergestellt und sie abgefilmt – Bild für Bild. 

Das Ergebnis ist visuell grandios. Der neonleuchtende Grossstadtlook überzeugt genauso wie die Endzeitatmosphäre auf den Abfallbergen der Hundeinsel. Zwei Jahre Arbeit von fast 700 Mitarbeitern haben sich also ausgezahlt. Zumindest was das Vergnügen fürs Auge angeht.

Denn die Handlung von «Isle of Dogs» thematisiert zwar spannende Aspekte wie Tierschutz, Korruption oder Treue, aber sie ist vorhersehbar. Der zwölfjährige Atari, Pflegling des Bürgermeisters, klaut sich ein Mini-Flugzeug, bruchlandet es auf der Abfallinsel und macht sich auf die Suche nach seinem Wachhund und besten Freund, Spots.

Auf seiner Reise macht der kleine Held Bekanntschaft mit einem eingeschworenen Hunderudel. Sie alle waren einmal jemandes bester Freund und mühen sich nun halb verwildert auf der Suche nach Nahrung in den Abfällen der Stadt. Auf ihren Hundemarken tragen sie die Namen Rex, Boss, King oder Duke. Nur einer von ihnen hatte nie ein Zuhause. Der grummlige Streuner Chief, der sich der Suche partout nicht anschliessen will. Dass ausgerechnet er schliesslich zu Ataris hilfreichstem Partner auf seiner Odyssee wird, war absehbar.

Gefühle verstehen auf Japanisch
Mutiger ist Anderson bei der Vertonung des Films. Stars wie Bill Murray, Scarlett Johansson oder Edward Norton leihen den Hunden im (empfehlenswerten) englischen Original ihre Stimmen  – die Menschen hingegen sprechen fast durchgängig Japanisch. Und das nur teilweise untertitelt oder übersetzt. «Wenn Japanisch gesprochen wird, ohne dass es übersetzt ist, hat man das Gefühl, zuzuhören», erklärt Regisseur Anderson diese unübliche Entscheidung und ergänzt: «Man versteht dabei zwar nicht die Worte, aber man versteht die Gefühle.»

Das funktioniert. Genau wie auch die Eigenheiten der sprechenden Hunde beim Zuschauer ankommen. Diese sind nämlich keine «Menschen im Hundekostüm», sondern bringen durchaus ihre hündischen Eigenheiten mit. So scheint es etwa jedem Hund ein angeborenes Verlangen zu sein, ein weggeworfenes Stöckchen wiederzubringen. Und das Hund-Sein allein erklärt schon, wieso das halbwilde Rudel dem plötzlich auftauchenden Buben auf seiner Suche sofort beisteht: «Wir Hunde lieben zwölfjährige Jungen!»

So gut Regisseur Anderson das Wesen der Hunde getroffen hat, etwas mehr Abwechslung in der Vierbeinerschaft hätte gutgetan. Die Tiere in Ataris Helferrudel ähneln sich doch in Aussehen und Charakter etwas arg. Statt von Schnauzer bis Schlittenhund hätte dem Film ein Spektrum von Chihuahua bis Bernhardiner etwas mehr Schalk verliehen. 

«Isle of Dogs – Ataris Reise», Stop-Motion-Animationsfilm, 102 Minuten, Verleih: 20th Century Fox, ab sofort im Kino.

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