Raspelinstrument
Wer hätte das gedacht? Eines der langsamsten Tiere hat die meisten Zähne: Die Schnecke trägt nämlich bis zu 40 000 davon im Maul. Die sind nur unter dem Mikroskop zu erkennen und bilden eine Art Raspel auf der Zunge. Diese Raspelzunge – auch Radula genannt – streckt das Kriechtier beim Fressen heraus, um ein Blatt wie ein Schaufelradbagger in den Mund zu ziehen. Am Oberkiefer wird das Grünzeug abgeschnitten und durch die Raspelzunge in winzige Teile zerlegt, um es leichter in den Schlund führen zu können. Und weil sich die vielen Zähnchen schnell abnutzen, wachsen sie am hinteren Teil der Radula ständig nach.

Diamantschneider
Ein kleiner Nager raubt gern Bewohnern älterer Landhäuser den Schlaf: die Maus. Kaum schliesst man die Augen, geht das Trippeln und Nagen in den eigenen vier Wänden los. Kein Wunder, verfügt der freche Untermieter doch über Mundwerkzeuge, mit denen er sich problemlos durch Holz oder gar Mauern durchknab­bern kann. Auf der aus der Mineralogie bekannten Mohs’schen Härteskala von 1 bis 10 erreichen die Zähne des kleinen Säugetiers den unglaublichen Wert von 9,6 und werden nur vom härtesten, natürlich vorkommenden Material, dem Diamanten, übertroffen.

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Schlingzunge
Ständig kauende Kühe sind ein vertrautes Bild. Kein Wunder, verschlingt doch ein einziges Tier im Sommer bis zu 130 Kilo frisches Gras am Tag! «Nach Abzug des Wasseranteils ergibt das immer noch rund 20 Kilo Trockensubstanz», sagt Maren Feldmann vom Rindergesundheitsdienst Zürich. Trotz einer solch riesigen Futtermenge fehlen dem Weidevieh im Oberkiefer aber Schneidezähne zum Zerkleinern. Das Grünzeug wird zunächst fast unzerkaut geschluckt. «Die Kuh ist ein schlingendes Wesen und braucht vor allem eines: eine lange, raue Zunge, mit der sie die Gräser umfasst und ins Maul zieht», sagt Feldmann. Statt Zähne ist für den Wiederkäuer ein harter Gaumen als Widerlager wichtig, an dem das Futter gepresst und gerieben werden kann. «Immerhin ist eine Kuh ja rund acht Stunden am Tag mit dem Wiederkauen beschäftigt. Und das regt die für die Verdauung so wichtige Speichelproduktion an», erklärt Feldmann.

Schnitzwerkzeug
Ganz anders geht der Biber ans Werk. Der grosse Nager ernährt sich im Sommer zwar gerne von Gras, Wasserpflanzen oder Feldfrüchten wie Mais, Getreide oder Zuckerrübe, ab Spätherbst kommt aber vor allem Baumrinde auf den Speiseplan – und damit seine messerscharfen Schnitzwerkzeuge zum Einsatz. Meist nachts macht er sich dann mit Vorliebe über Weiden und Pappeln her, um sie zu fällen. Armdicke Bäume liegen meist in einer Stunde, an stärkeren Kalibern nagt der Biber mehrere Tage. Seine gelborangen Zähne sind dank eingelagerter Mineralstoffe extrem hart und bestehen zudem aus zwei Schichten, die sich unterschiedlich stark abnutzen. So bleiben die Beisserchen immer scharf. Und der Biber muss sich auch keine Sorgen machen, dass seine Zähne irgendwann kürzer werden: Wie bei allen Nagetieren wachsen sie ihm lebenslang nach.

Fangzähne
Stolze 42 Zähne – also gleich zehn mehr als ein erwachsener Mensch – trägt der Fuchs im Maul. Besonders auffallend sind dabei die langen, wie Dolche gebogenen Eckzähne in Ober- und Unterkiefer. Damit beeindruckt Meister Reineke aber nicht bloss Nebenbuhler, nein, er braucht sie vor allem für seine ausgefeilte Jagdtechnik. Füchse verlassen sich vor allem auf ihr feines Gehör, wenn es etwa im Winter darum geht, Mäuse unter der Schneedecke aufzuspüren. Ist die Beute ausgemacht, stürzt sich der Fuchs kopfüber in den Schnee. Gelingt der Überraschungsangriff und spürt er den kleinen Nager direkt vor der Schnauze, gibt es kein Entrinnen mehr: In Sekundenbruchteilen packen die scharfen Eckzähne die Beute und halten sie fest. Fertig für den sofortigen Verzehr oder den Transport in den Bau, wo vielleicht schon hungrige Artgenossen darauf warten.

Kampfgerät
Beim Wildschweinkopf stechen die messerscharfen, seitlich aus dem Maul ragenden Eckzähne besonders ins Auge. Die sehen nicht nur bedrohlich aus, sondern die verwenden die Sauen tatsächlich auch für den Nahkampf. Insbesondere während der Paarungszeit liefern sich männliche Heisssporne – die Keiler – wilde Gefechte, wenn sie sich auf der Suche nach paarungswilligen Weibchen in die Quere kommen. Aber nicht mit Bissen, sondern meist mit seitlichen Kopfstössen versuchen sie, dem Widersacher klar zu machen, wer der Boss ist. Beim ausgewachsenen Keiler sind die Zähne am längsten und ragen oft deutlich aus der zotteligen Schwarte heraus, obwohl fast zwei Drittel der gesamten Zahnlänge im Kiefer stecken. Die Zähne der weiblichen Wildschweine sind wesentlich kleiner und im Maul verborgen. Aber wehe, sie fühlen sich oder ihren Nachwuchs bedroht: Dann können die Damen damit kräftig zubeissen.

Schmuckstücke
Der eine oder andere wird die oberen, verkümmerten Eckzähne des Rothirsches aus dem Juweliergeschäft kennen: in edles Silber oder Gold gefasst als Anhänger oder Brosche. Je mehr abgeschliffen und marmorähnlicher, desto höher stehen die «Grandeln» als Schmuckstücke im Kurs. Für das Rotwild selbst haben diese Eckzähne praktisch keine praktische Bedeutung mehr. Ausser es geht darum, einen Artgenossen einzuschüchtern oder in die Schranken zu weisen. Dann hebt das Wildtier drohend sein Haupt und zieht ähnlich einem fletschenden Hund die Oberlippe zurück. Das Eckzahndrohen ist bis heute beim Rotwild in seiner Körpersprache verankert. Es geht auf Zeiten zurück, da den Hirschen noch ansehnliche Eckzähne aus dem Kiefer ragten, die auch beim Kampf eingesetzt wurden.

Giftspritzen
Mit feinen Präzisionswerkzeugen ist die heimische Kreuzotter unterwegs. «Wie jede Viper hat auch die Kreuzotter zwei hohle Röhrengiftspritzen im Maul», erklärt Jean-Claude Villars, Gründer und Geschäftsführer des Schlangenzoos Eschlikon TG. «Die sind aber nicht mit dem Kiefer verbunden, sondern stecken mehr oder weniger im Zahnfleisch und sind in einer Hautfalte im Gaumenbereich eingeklappt. Nur unmittelbar vor einem Biss werden die Zähne blitzschnell aufgestellt und das Gift in Maus, Frosch oder Eidechse wie mit einer Spritze hineingespritzt.» Die eigentliche Schwerarbeit folgt noch: Da die Beute meist wesentlich grösser als der Kopf des Reptils ist und es den Brocken nicht in kleinere Stücke teilen kann, schluckt die Schlange im Ganzen. Dabei reisst sie den Kiefer, der nur mit dehnbaren Bändern verbunden ist, weit auf und beginnt die Beute – immer in Fellrichtung – langsam zu verschlingen. Die Giftzähne sind dabei längst wieder eingeklappt – und erst dann wieder bereit, blitzschnell zuzuschlagen, wenn alles verdaut ist.