Die Alp ist gross und schön. Genauso gross und schön wie die Vorfreude von Robin und Manu. Sie können es kaum erwarten auf der Wildfluhalp – der Name ist erfunden – in 1600 Metern Höhe die Natur zu geniessen und vier Monate lang ihre eigenen Chefs zu sein. Oder wie Manu, der auch als Erzähler fungiert, es formuliert: «Das letzte grosse Abenteuer der zivilisierten Welt zu erleben.» Dabei setzen sie sich das Ziel, kein einziges Tier zu verlieren. Ein ehrgeiziges Unterfangen angesichts der 236 Rinder und Kühe, die sie ohne jegliche Erfahrung zu hüten haben. 

Mit zwölf Einkaufswagen voller Lebensmittel, einem Ratgeber zum Leben auf der Alp und dem Schottischen Border Collie Jimmy als Herdenhund, sehen sich die Jugendfreunde jedoch bestens gerüstet. Dass dies ein Trugschluss ist, spürt der Zuschauer schnell. Bereits das Einschlagen des ersten Holzpfostens entpuppt sich als Herausforderung, und das bei einem aufzubauenden Zaun von 26 Kilometern Länge. Der guten Laune tut das keinen Abbruch.

Das ändert sich aber schon bald. Spätestens als die Freunde zusammen mit der Hirtin Johanna ein verletztes Schaf erlösen müssen, liegt Unheil in der Luft. Die ersten Kühe werden krank, es kommt zu Streite­reien und Eifersüchteleien wegen Johanna. Die Gemütslage passt sich immer mehr dem schlechten Wetter an. Sechs Wochen lang erreicht kein Sonnenstrahl die Alp. Selbst die Kühe verbreiten schlechte Stimmung. 

Die raue Bergwelt gibt keine Antworten
Robin und Manu gestehen sich ein, dass ihnen alles über den Kopf wächst. Sie zählen die Tage bis zum Ende ihrer Alpzeit. Aber Aufgeben lässt ihr Stolz nicht zu. Ein fataler Fehler, denn dreieinhalb Wochen später sind nicht nur weitere Tiere verendet und der Sommer verwelkt, sondern auch ihre Freundschaft. «Es ist nichts mehr da, ausser eine Hand voller Erinnerungen», lautet das ernüchternde Fazit von Manu.

Ernüchternd, schonungslos und bedrückend ist auch fast der gesamte Film «Alptraum», dessen Titel nicht passender sein könnte. Er ist so weit von geschmückten Kühen und kitschiger Bergromantik entfernt wie der Gipfel vom Tal. Als Zuschauer leidet man so sehr mit den beiden überforderten Protagonisten, dass es fast wehtut. Man leidet mit der Kuh, die ihr Kalb verloren hat und die ganze Nacht nach ihrem Jungen schreit. Mit dem Stier, der sich ein Bein gebrochen hat und mit einem Bolzenschuss von seinen Schmerzen erlöst wird. Es fühlt sich an, als wäre man selbst für die knapp 90 Filmminuten auf der Alp und würde all die Strapazen miterleben.

«Mein Wunsch war es, meine subjektive Erinnerung an den Alpsommer möglichst authentisch wiederzugeben, manchmal gestützt auf die Notizen meines Alptagebuchs, das ich damals geführt hatte», erzählt Regisseur und Hauptdarsteller Manuel Lobmaier, der lange brauchte, bis er sich seine Videoaufnahmen ansehen konnte. Sein Film ist wie ein Videotagebuch aufgebaut. Es vermittelt zwar auch unbeschwerte Momente, etwa beim fröhlichen Musizieren auf der Gitarre und Ziehharmonika. Ein Gefühl der Versöhnung stellt sich aber auch dann nicht ein, als die Sonne am Ende wieder scheint. Dafür bleiben zu viele quälende Fragen zurück. Fragen, auf die die raue Bergwelt keine Antworten gibt. 

«Alptraum», Doku-Fiktion, 88 Minuten, Studio: Movie Biz Films, ab sofort in ausgewählten Schweizer Kinos.

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