Als Wanderarbeiter geht der 20-jährige Maofu voller Tatendrang vom Land in die Stadt, um sein eigenes Geld zu verdienen und Selbstständigkeit zu erlangen. Der Plan schlägt allerdings fehl. Schon bald kehrt der verlorene Sohn desillusioniert zu seiner Familie in ein Dorf im Norden Chinas zurück. Sein Vater Laoyu, ein alternder Bienenzüchter, nimmt ihn mit offenen Armen auf und hofft, Maofu nun das Handwerk der Bienenzucht beibringen zu können. Doch so gross wie die Kontraste zwischen der pulsierenden Grossstadt und dem idyllischen Land sind, so gewaltig klaffen auch die Vorstellungen der verschiedenen Generationen auseinander. 

Maofu möchte die Bienenzucht modernisieren und optimieren. Sein Vater dagegen schwört auf das traditionelle Imkern, das er seit mehr als 50 Jahren praktiziert. Unweigerlich entstehen Meinungsverschiedenheiten zwischen Vater und Sohn. Sie verlaufen zwar meist ohne laute Streitgespräche und sind dennoch deutlich zu spüren. Etwa, wenn Maofu rhetorisch fragt, ob es nicht richtig sei, das Ziel zu verfolgen, die Honigproduktion zu maximieren, und Laoyu darauf nur mit einem Kopfschütteln und einem müden Lächeln reagiert.

Selbst die Gänse, Schweine und Hunde auf dem Hof scheinen die angespannte Atmosphäre mitzubekommen. Sie kommentieren das Verhalten der Menschen auf ihre Art mit Geschnatter, Gegrunze und Winseln. Dabei sticht vor allem eine Gans heraus. Sie ist nicht nur ein treuer Begleiter von Laoyu und Maofu, sondern spiegelt mit ihrem Verhalten auch stets die Gefühle der beiden wider. «Einmal beobachtete ich, wie die Gans in Maofus Zimmer ging und dort ganz ruhig für eine ziemlich lange Zeit mit ihm Musik hörte», erzählt die chinesische Regisseurin Diedie Weng, die mit ihrer Familie in Lausanne lebt. «Die Rolle der Gans ist ein Geschenk für den Film.» 

Enge Beziehung zu den Bienen
Gleiches gilt für das Zusammentreffen von Weng und dem Imker Laoyu, den sie wegen seines berühmten Honigs besuchte. «Ich war fasziniert von der engen Beziehung zu den Bienen und begann das Handwerk zu filmen, um auf die Umweltbedrohungen hinzuweisen, denen die Bienen ausgesetzt sind», erinnert sich Weng. Durch die Rückkehr von Maofu habe sich der Fokus dann jedoch auf die Vater-Sohn-Beziehung verschoben.

Das schadet dem Film nicht. Im Gegenteil: Der Zuschauer erhält durch die Imkerfamilie im ländlichen Nordchina authentische Einblicke in die Kluft zwischen Tradition und Moderne, zwischen Kommunismus und Kapitalismus. Brüche, die millionenfach im heutigen China entstehen. «Während die jüngere Generation in die Städte zieht und darum kämpft, ihren eigenen Weg und eine neue Identität zu finden, lebt die ältere Generation immer noch wie in alten Zeiten auf dem Land», sagt Weng. «Ich wollte verstehen, wie die Dynamik solcher Beziehungen aussieht und wie ländliche Familien mit solchen sozialen Veränderungen umgehen.»

Weng gelingt es, mit viel Taktgefühl und auflockerndem Humor den Generationenkonflikt im Reich der Mitte zu beschreiben. Die zwischenmenschlichen Probleme und Sorgen sind aber universell. Sie regen umso mehr zum Nachdenken an.

«The Beekeeper and his Son», Dokumentarfilm, 81 Minuten, Verleih: Vinca Film, ab sofort in ausgewählten Schweizer Kinos.

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