Schnappschuss? Fehlanzeige! Die Geduld war der Fotografen treueste Begleiterin, als sie die Bilder fürs vorliegende Buch machten. Allein schon die Entstehungsgeschichte der Aufnahmen ist «Einfach unglaublich», frei nach dem Buchtitel. Denn um Fotos zu erhalten wie dasjenige des Nachtfalters, der aus dem Tränenkanal eines Flachlandtapirs trinkt, musste akribische Vorarbeit geleistet werden: Recherchen über Flora und Fauna, aber auch geografische Abklärungen waren notwendig, vom Einholen von Visa und Fotobewilligungen nicht zu sprechen.

Für das Foto mit dem Nachtfalter beispielswiese streifte David Herasimtschuk duch die tropischen Wälder Südamerikas. Nach geglückter Aufnahme sammelte er Informationen zum Verhalten des Tieres. Wie zu jedem Bild des über 120-seitigen Buches findet man auch zu diesem Bild viele wissenswerte Hintergrundinformationen, wie es der Untertitel des Buches verheisst: «Erstaunliches Tierverhalten, dokumentiert von den besten Naturfotografen der Welt».

Und so erfährt man, dass viele subtropische Nachtfalterarten Tränen trinken, dass sie lachryphag sind, um es mit dem wissenschaftlichen Terminus auszudrücken. Ihr Saugrüssel ist zwar für das Trinken von Nektar ausgerichtet. Doch weil in der Tränenflüssigkeit eine hohe Konzentration von Natrium und anderen Mineralstoffen vorhanden sind, haben sich die Tiere im Laufe der Evolution auf deren Aufnahme aus Tränenknälen anderer Arten spezialisiert. Natrium, so ist weiter zu lesen, sei für die Entwicklung der Nerven- und Muskelfunktionen unentbehrlich.  

Ein erstaunliches Foto unter Wasser
Umfassende Vorabklärungen dürfte auch Naturfotograf Paul Souders gemacht haben, bevor er ihm sein Unterwasserbild einer lachsfischenden Grizzlybärin gelang. Dazu hatte hatte ihn die Reise in den Katmai-Nationalpark in Alaska geführt, den er durchstreifte. Dabei stiess er auf die Stromschnellen eines kleinen Flusses. Was er dort entdeckte, faszinierte ihn. Jahr für Jahr versammeln sich hier unzählige Fische, um den gemeinsamen Sprung über die Stromschnellen zu wagen und danach zu ihren Laichplätzen flussaufwärts zu schwimmen.

Das haben längst auch die Grizzlybären entdeckt, die sich hier ebenfalls versammeln. Vor allem die fettreichen Lachse sind für sie eine lebensnotwendige Nahrung, dank der sie sich für die Winterruhe einen Winterspeck anfressen können. Für die Weibchen sind diese Energiereserven zudem die Voraussetzung dafür, dass sie ihre Jungen im Frühling austragen und säugen können.

Doch ganz so einfach lassen sich die Fische nicht fangen. Paul Souders beobachtete, wie sich die Bären mutig ins Wasser stürzen, um die Lachse zu erhaschen. Er tat es ihnen gleich, ausgerüstet mit einer Unterwasserkamera. Dabei entstand sein Bild der Lachsfischerin.

Im Reich der Schmetterlinge
Doch nicht nur Bären und Fischer versammeln sich, sondern auch Schmetterlinge. Und das gleich millionenfach. Herausgefunden hat das Axel Gomille. In El Rosario in Zentralmexiko ist er auf einen Teich gestossen, der mit Sickerwasser gefüllt ist. Er liegt irgendwo in den Weiten eines Bergwaldes. Geschätzten 100 Millionen Monarchfaltern dient er als Rückzugs- und Paarungsgebiet, das ihnen zudem Schutz vor Kälte und Feinden bietet. Jedes Jahr zwischen Oktober und November kommen die Schmetterlinge hierher und legen dafür teils mehr als 3000 Kilometer zurück. Manche von ihnen bewältigen diese Strecke ohne Unterbruch – eine unglaubliche körperliche und navigatorische Leistung, wie Axel Gomille schreibt. Entstanden ist eine atemberaubende Aufnahme des Schmetterlingsrefugiums.

Geschichten wie diese machen «Einfach unglaublich» zu einem kurzweiligen und gleichzeitig lehrreichen Lesevergnügen. Eines, das dem Betrachter zudem Schönheit und Gewalten der Natur vor Augen führt. Wer sich bei jedem Foto in Erinnerung ruft, dass es mit grossem Aufwand – und wohl auch etwas Glück – entstanden ist, wird den Bilderreigen noch mehr schätzen.

 

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«Einfach unglaublich»
Erstaunliches Tierverhalten dokumentiert von den besten Naturfotografen der Welt
2018 
Gebunden, 128 Seiten 
Verlag: Knesebeck
ISBN: 978-3-95728-132-6