Knapp einen Monat ist es her, da ist das St. Galler Naturmuseum umgezogen. Raus aus dem gemeinsamen Bau mit dem Kunstmuseum, rein in ein neues Gebäude (siehe «Tierwelt» Nr. 46/2016). Das gibt Platz fürs Kunstmuseum, das seine Ausstellungsfläche nun fast verdoppelt sieht. Und nun fällt den Verantwortlichen nichts Besseres ein, als hier ein neues Naturmuseum einzurichten. Verwegen. Und genial. Denn die neue Ausstellung stellt ein Bindeglied dar zwischen Kunst und Natur, das Kunstmuseum winkt dem langjährigen Mitbewohner auf Wiedersehen. 

«The wondrous Museum of Nature» heisst die Ausstellung, und sie stammt vom US-Künstler Mark Dion. Auf den ersten Blick scheint der Besucher tatsächlich in ein Naturkundemuseum zu spazieren, schaut ihn doch ein präpariertes Füchslein an, sieht er doch einen ausgestopften Wolf vor sich, dahinter ein Alpenpanorama und Vitrinen voller Bergvögel.

Erst auf den zweiten Blick fragt sich der Besucher, was der Wolf auf einem Lastwagenanhänger zu suchen hat. Subtil hat Dion Tierpräparate angepasst, die der Stammgast im Naturmuseum wiedererkennt. Vieles wirkt anfangs willkürlich, dahinter stecken aber die Gedanken eines Künstlers, der sich durchaus mit Naturwissenschaftlichem auskennt. Den Wolf auf Rädern mit dem Titel «Mobile Wilderness Unit» erklärt Dion so: «Wenn wir die Leute nicht mehr in die Wildnis bringen, müssen wir die Wildnis eben zu den Leuten bringen.»

Ein Meister des Arrangierens
Dions Ausstellung hat durchaus gesellschaftskritische Züge. So scheint sein Lieblingsmotiv der Teer zu sein. Das Skelett eines Höhlenbären – mit Teer überzogen; der Krokodilschädel in der Schmuckvitrine – in einem Teerbad; die präparierten Gänse – teer­triefend. «Teer ist das Sinnbild der modernen Gesellschaft», erklärt Dion und meint damit unsere Abhängigkeit von Öl, Benzin und Plastik. «Es ist ein erstickendes Material, das Leben zerstört.»

Leben, das sich nicht zerstört, sondern weiterentwickelt, ist auf einer Evolutionstreppe zu sehen. Zuunterst die unbelebten Objekte, danach aufsteigend immer höher «beseelte» Lebewesen: Vom Stein über Seestern, Schmetterling und Katze bis hin zum Menschen – der Krone der Schöpfung, wie ihn der Künstler nicht ganz ohne Zynismus in der Stimme bezeichnet.

Überhaupt ist Mark Dion ein Meister des Arrangierens. «Cousteaus Cabinet», ein Schrank voll von Taucherausrüstung, ist an sich allenfalls wissenschaftlich interessant, genauso wie die Ausrüstung des Forschungsreisenden. Wie Dion allerdings die Dinge drapiert, so präzise unorganisiert, so willkürlich exakt, das macht aus der Krimskramssammlung ein Kunstwerk.

Vorübergehend also hat St. Gallen nicht eins, sondern gleich zwei Naturmuseen. Mark Dion hat sich für seine Ausstellung eingehend von den «Echten» inspirieren lassen. «Ich liebe Museen», sagt er. Doch bleibe er lieber bei der Kunst: «Alles, was ich an der Kunst mag, könnte man in der Wissenschaft nicht gebrauchen. Ironie, Metaphorik, Humor.» All das baut er subtil in seine Werke ein und thematisiert ganz nebenbei – schon fast wissenschaftlich – etwas, das ein klassisches Naturkundemuseum kaum einmal behandelt: sich selbst.

«The Wondrous Museum of Nature», bis September 2017 im Kunstmuseum St. Gallen.