Plötzlich war die Tonne voll: Rund 2000 Federbälle hatte Nicole Herzog über Jahre gesammelt. Für die Badminton-Junioren Sitterdorf, einer Nachbarsgemeinde von Bischofszell TG, welche sie in ihrer Freizeit trainiert und in der sie auch mitspielt, waren sie nicht mehr zu gebrauchen. Wohl aber für das Kunstwerk, das ihr vor zwei Jahren vorschwebte: Für ihre damals sechste Teilnahme am Osterbrunnen-Brauch plante sie einen Schwan. «Das Material der Federbälle war dafür perfekt geschaffen», erinnert sich die Naturkünstlerin, die in Bischofszell ihr eigenes Atelier betreibt. «Die Gänsefedern, aus denen die Badminton-Shuttles bestehen, sind wetterbeständig und leicht. Und sie sehen toll aus.»

Imposant war denn auch das eine ihrer Badminton-Shuttle-Kunstwerke, mit denen Herzog zwei der 22 Brunnen in der Stadt schmückte. Er kam auf die Spannweite von zweieinhalb Metern und war einer der Hingucker an Ostern. Das Kunstwerk hat einen so grossen Eindruck hinterlassen, dass es dieses Jahr den Prospekt des Verkehrsvereins von Bischofszell schmückt. Denn auch heuer lässt man den Brauch aufleben, nachdem er laut Herzog letztes Jahr coronabedingt pausieren musste. 

Die lange Geschichte des Osterbrunnen-Brauchs
Ihre Wurzeln haben die Osterbrunnen im frühen 19. Jahrhundert. Damals begann man damit, die Wasserspender zu schmücken, aus Dankbarkeit dafür, dass das Wasser wieder floss. «Im Winter werden auch heute noch die Brunnen abgeschaltet, damit die Leitungen nicht einfrieren und Schaden nehmen», sagt Herzog. 

Auch andere Orte in der Schweiz kennen Osterbrunnen. So wurde den Schülerinnen und Schülern der Saint-Exupery-Schule von Nyon VD vor zwei Jahren die Ehre zuteil, Brunnen in der in der Stadt zu verzieren. Dazu eingeladen hatte der Gewerbeverein. Auch dieses Jahr gibt es einiges zu bestaunen, wie die «regionmurtensee.ch» schreibt: «Im 2021 werden mehr als 40 dekorierte Osterbrunnen im ganzen Vully (FR) zu bestaunen sein». 

Tradition haben die Osterbrunnen unter anderem aber auch in Laufenburg AG, wo man über die Ostertage abstandskonform an diversen Brunnen vorbei spazieren kann.

Etwas ist den Orten gemeinsam, die den Osterbrunnen-Brauch begehen: Bis heute ist der Tag besonders, an dem das Wasser wieder fliesst. «In Bischofszell feiern wir ihn mit Aufführungen von Kindern, mit Musik und natürlich – in Nicht-Pandemie-Zeiten – mit dem verweilen in den speziellen Osterbrunnen-Kaffees», erzählt Künstlerin Herzog. 

Abgespeckter Brauch
Obwohl die Pandemie das öffentliche Leben nach wie vor massiv beeinflusst und einschränkt, will Bischofszell dieses Jahr nicht auf den lieb gewonnen Brauch verzichten. Beinahe alle Brunnen seien heuer geschmückt, trotz Pandemie. Der Verkehrsverein hat eine Broschüre veröffentlicht, die Vorschläge für Routen entlang der Brunnen macht. Die Besucherinnen und Besucher wählen selber, welchen Weg sie entlang bummeln wollen. 

Etwas darf nicht fehlen, wie Herzog ergänzt: «Zu dem Brunnen gibt es detaillierte Informationen über diejenigen, die ihn geschmückt haben.» Dabei handelt es sich zum einem um Private, die Freude am Gestalten haben, aber auch um Blumenläden sowie Firmen, die gleichzeitig als Sponsoren agieren.

Als Künstlerin ist Herzog nur auf den ersten Blick eine Aussenseiterin in der Gilde der Brunnengestalterinnen und Gestalter ihrer Stadt. Eigentlich ist sie Floristin und war 1998, als man den Osterbrunnen-Brauch aufleben liess, in einem Blumenladen angestellt. Schon damals schmückte sie Brunnen in Bischofszell. Diese Jahr pausiert sie, aus privaten Gründen. Nächstes Jahr jedoch will Herzog wieder mitmachen. Mit welchem Sujet sie dann die Stadt überrascht, ist ihr Geheimnis. Es dürfte aber auf jeden Fall eine Herausforderung werden, den Schwan zu toppen.