In einem kleinen kirgisischen Bergdorf geht ein mysteriöser Pferdedieb um. Dieses Mal ist ein besonders wertvolles Sportpferd verschwunden. Schnell fällt der Verdacht auf den skrupellosen Sadyr, der für seine kriminellen Machenschaften bekannt ist. Doch Sadyr beschwört seine Unschuld, und kurz darauf taucht das vermisste Pferd wieder auf. Genau wie bei den zuvor gestohlenen Rössern. Sadyr scheint damit rehabilitiert zu sein. Er will aber dennoch den grossen Unbekannten, der sich Pferde offenbar nur ausleiht, mit einer List ausfindig machen. Deshalb streut er das Gerücht, dass ein neues Rennpferd in der Nähe für einen hohen Preis gekauft worden sein soll. Sadyr ist davon überzeugt, dass der diebische Pferdenarr dieser vermeintlichen Chance nicht widerstehen kann.

Tatsächlich tappt mit Zentaur bald jemand in die Falle. Der frühere Filmvorführer trägt diesen Namen, weil er glaubt, dass das Volk der Kirgisen von den Zentauren abstammt, jenen mythologischen Mischwesen aus Pferd und Mensch, und dass die Pferde «die Flügel des Menschen» seien. Laut dem Mythos lastet aber ein Fluch über den Kirgisen, weil sie begonnen haben, mit den Tieren, dank denen sie einst als Krieger unbesiegbar waren, Geschäfte zu machen. Nur ein Mann, der durch die Mondscheinnacht reitet, könne den Schutzherrn der Pferde um Vergebung bitten und den Fluch aufheben.

Pferde wichtiger als Allah
In der stärksten Szene des Films erklärt Zentaur dem Polizeichef unter Tränen die Beweggründe für seine Taten und hadert herzergreifend damit, dass der Mensch die Natur immer gnadenloser ausbeutet. Seine Worte hinterlassen Spuren. Der Kommandant sorgt dafür, dass Zentaur nicht ins Gefängnis kommt, sondern als Pferdepfleger arbeiten und zum Islam konvertieren soll. Doch Zentaur glaubt nur an die Kraft und Schönheit der Pferde, was die Gläubigen verärgert und zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führt. Des Friedens willen verbannt ihn der Dorfälteste schliesslich aus seinem Heimatdorf. Es kommt aber noch zu einem spektakulären letzten Akt der Befreiung der Pferde. 

«Ich verstehe meinen Film als moderne Parabel über den Verlust der Wurzeln des Menschen und die manchmal dramatischen Versuche, diese unterbrochene Einheit wieder zusammenzufügen, indem man sich der ehrwürdigen Vergangenheit zuwendet», sagt der kirgisische Regisseur Aktan Arym Kubat. Wie schon in seinen früheren Werken übernimmt er auch in «Centaur» die Hauptrolle selbst. Höchst überzeugend!

Befreiender Minimalismus
Seiner Regiearbeit tut das keinen Abbruch. In ruhigen Bildern erzählt Kubat mit einer gut dosierten Portion Ironie und Humor seine allegorische Geschichte über das Zusammenleben von Mensch, Tier und Natur. Dabei herrscht eine authentische Atmosphäre, die von einem befreienden Minimalismus geprägt wird. «Der Lebensstil in Kirgistan ist sparsam und praktisch. Es gibt nichts Überflüssiges oder Unnatürliches», sagt der kirgisische Filmemacher. «Überall herrscht eine unaufdringliche menschliche Wärme.» Diese ist auch für den Zuschauer spürbar. Sie verstärkt sich durch die fesselnde Rhetorik des Protagonisten Zentaur. Etwa wenn er von den Pferden in früheren Schlachten schwärmt, «die mit ihrer Brust den Wind spalteten, mit ihren Hufen die Erde pflügten und vorausstürzten wie die Flut».

Kubat gelingt es zudem eindrücklich die Gegensätze in Kirgistan aufzuzeigen: ein Land zwischen Glauben und Aberglauben, Moderne und Tradition, Armut und Reichtum. Mit «Centaur» festigt er seinen Ruf, ein Poet des Gewöhnlichen zu sein, was überaus positiv gemeint ist.

«Centaur», Drama, 89 Minuten, Studio: trigon-film, ab sofort in ausgewählten Kinos.

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