Ein Kriminalfilm aus der exotischen Mongolei? Darauf deutet bei «Öndög» in den ersten Minuten alles hin. Als Jäger mitten in der nahezu unbewohnten mongolischen Steppe auf eine Frauenleiche stossen, spricht vieles für einen Mord. Die Polizei untersucht den rätselhaften Fall und lässt die Leiche am Tatort über Nacht von einem blutjungen Mitarbeiter bewachen. Zur Seite steht ihm eine erfahrene Hirtin, die allein in einer abgelegenen Jurte lebt. Sie bewahrt den Novizen vor dem Kältetod und beschützt ihn vor Wölfen.

Spätestens als sich das ungleiche Paar am Lagerfeuer unter Alkoholeinfluss näherkommt, rückt der Kriminalfall immer stärker in den Hintergrund. Obwohl die Liebelei ein jähes Ende nimmt, bleibt sie nicht ohne Folgen. Die Hirtin wird nämlich schwanger. Als künftige Vaterfigur bietet sich aber nicht der Erzeuger, sondern ein Jugendfreund der Nomadin an. Er bringt ihr ein «Öndög» mit, ein fossiles Dinosaurier-Ei, und verzaubert sie mit seiner Geschichte zu den urzeitlichen Tieren. Ach ja, ein Tatverdächtiger ist in der Zwischenzeit auch geschnappt worden.

Der Trailer zu «Öndög»

[IMG 2]

«Öndög» ist ein aussergewöhnlicher Film, der sich positiv vom cineastischen Mainstream abhebt. Er schlägt ein gemächliches Erzähltempo an und legt regelmässig Kunstpausen ein. Zum Beispiel, wenn die namenlosen Protagonisten einen Apfel essen und minutenlang kein Wort sagen. Langeweile macht sich deswegen aber nicht breit. Im Gegenteil: Die vielen dialoglosen Passagen entfalten eine besinnliche, fast schon meditative Wirkung. 

Ein Glanz in der Trostlosigkeit
Für heitere Momente ist ebenfalls gesorgt – mit einem Humor, der trockener ist als das Klima der Mongolei. So antwortet beispielsweise der Polizeichef auf die Frage, ob er wirklich schon in Rente gehen wolle, ohne eine Miene zu verziehen, dass 40 Jahre Nichtstun genug seien. Auch bei den gymnastischen Warmhalteübungen des unerfahrenen Polizisten zu rockigen Klängen bleibt kein Auge trocken.

Trotz dieser überaus amüsanten Einschübe verliert der am diesjährigen Filmfestival «Berlinale» prämierte Kinostreifen nicht seinen Fokus. Dieser liegt auf dem für Europäer ungewöhnlichen Lebensstil der Einheimischen, den stimmungsvollen Landschaftsbildern und der ungezähmten Fauna. Zu ihr gehören neben den berühmten mongolischen Wildpferden auch unzählige Nutztiere wie Schafe, Kühe und Kamele.

«Ich wollte, dass die Natur so majestätisch wie möglich herüberkommt», sagt der chinesische Regisseur Wang Quan’an. «Für viele Chinesen vermitteln diese Steppen das Bild einer trostlosen Gegend. Ich wollte ihnen ihren Glanz zurückgeben.» Das ist in beeindruckender Manier gelungen und dürfte auch ein Publikum ausserhalb Asiens ansprechen.