Seit über tausend Jahren bewohnen Menschen ein verschlafenes Dorf im Südwesten Frankreichs. Genauso lange teilen sie sich ihren Lebensraum mit diversen Kleintieren, ohne es gross zu bemerken. Denn die meisten der Einwohner sind zu beschäftigt, um zu registrieren, was sich vor ihrer Nase und über ihren Köpfen abspielt. Und das ist eine ganze Menge.

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Wenn Siebenschläfer auf dem Estrich schlafen
Da ist zum Beispiel eine Siebenschläfer-Familie, die es sich in ausrangierten Töpfen und Kesseln auf einem verstaubten Estrich bequem gemacht hat. Nur wenige Meter höher im selben Raum hat eine Hornissenkönigin beschlossen, für Nachwuchs zu sorgen. Für die hungrige Brut schaffen unzählige Arbeiterinnen emsig Nahrung heran. Noch weiter oben auf dem Dach liefern sich derweil zwei Eichhörnchen eine rasante Verfolgungsjagd, welche die sichtlich verdutzten Tauben Reissaus nehmen lässt.

Auch im Untergrund herrscht reges Treiben. Dort warten Ratten geduldig auf heruntergespülte Leckerbissen. Selbst wenn die Kanalisation einmal vollläuft, lassen sich die guten Schwimmer nicht aus der Ruhe bringen. Notfalls finden sie dank ihrer einklappbaren Rippen in den engsten Rohren Zuflucht. Da haben es Eintagsfliegen schon deutlich schwerer. Kaum haben sich aus den Larven flugfähige Insekten entwickelt, droht der Tod im Fischmaul oder Entenschnabel. 

Gefahren lauern auch im vermeintlichen Schutz der Dunkelheit. Dann beginnt der Kampf zwischen Jäger und Beute. So müssen beispielsweise Siebenschläfer beim Haselnuss-Sammeln höllisch aufpassen, um nicht auf dem Gabentisch von Waldkäuzen zu landen. Wenig Raum zur Flucht haben dagegen von Menschen gehaltene Hühner, wenn die Stalltür offen gelassen wurde und als Einladung für Steinmarder dient.

Ausdrucksstarke Bilder
Solche Situationen sind alles andere als ungewöhnlich und selten. Dennoch versteht es die BBC-Dokumentation «Das Dorf der wilden Tiere», Alltägliches spannend zu präsentieren. Das liegt vor allem an der ungewöhnlichen Perspektive, die ihren Fokus beinahe vollständig auf die Tiere legt und dem Zuschauer das Gefühl gibt, direkt an ihrer Seite zu sein. Dieses Konzept ist simpel und spektakulär zugleich. Schliesslich kommt man sonst kaum in den Genuss, sich an die Fersen eines Eichhörnchens zu hängen, mit Fröschen auf Tauchgang zu gehen und Sperbern in luftiger Höhe beim Libellenfang zuzusehen. Dank moderner Kamera- und Superzeitlupentechnik ist das jedoch möglich.

Trotz teilweise (zu) dominanter Begleitmusik und einer omnipräsenten weiblichen Erzählerstimme sprechen die Bilder für sich. Garniert werden sie mit eingestreuten wohlbekömmlichen Informationen. Beispielsweise erfährt man, dass die Kohlweisslings-Raupe das 27 000-Fache ihres Körpergewichts fressen muss, bis sie sich in einen Schmetterling verwandelt. Oder dass ein Wildschwein über einen Kilometer weit Früchte und Gemüse riechen kann.

Die Schwäche der Aufnahmen
Zur grössten Schwäche der Dokumentation gehören Aufnahmen, in denen Menschen vorkommen. Sie wirken arg konstruiert und unglaubwürdig. Etwa, wenn eine Frau von den Rufen eines Waldkauzes aufwacht und die Eule unbeholfen am Fenstersims verscheucht. Oder eine Gruppe nächtlicher Velorennfahrer nur Millimeter an Kröten vorbeifährt. Da solche Szenen rar gesät sind, stören sie aber das Eintauchen in die Parallelwelt der Tiere nicht weiter. Zum Glück.

Dokumentation, 79 Minuten, Verleih: Polyband, EAN: 40-06448-76854-6, ab sofort auf DVD erhältlich, ca. Fr. 20.