Exponierter geht es kaum. Mitten auf dem Dachstuhl des stattlichen Ostermundiger Bauernhauses steht eine Vi­trine – erhöht und von Scheinwerfern ins beste Licht gerückt. Aus der Ferne ist jedoch nicht ersichtlich, welcher Schatz sich in dem Glasbehälter befindet. Die Neugier ist geweckt und bei näherem Betrachten wird klar, dass es sich nicht um wertvollen Schmuck oder ein seltenes Kunstwerk handelt, sondern um einen kleinen Haufen echten Kuhmist auf einem edlen Teller. Die Texttafel daneben erklärt, dass der Mist (und nicht der Teller) durchaus kostbar ist und vor allem war. Denn vor der Einführung künstlicher Düngemittel verwendeten die Bauern ausschliesslich Gülle und Mist, um ihre Felder und Wiesen mit Nährstoffen zu versorgen. 

Kein Wunder also, dass die Ausscheidung einen solch prominenten Platz erhalten hat und es sogar in den Titel der Ballenberg-Ausstellung geschafft hat: «Die Kuh. 1000 Dinge und echter Mist». Auf die Besucher warten tatsächlich rund tausend Exponate, die sinnliche Erlebnisse versprechen. Zum Beispiele filigrane Scherenschnitte fürs Auge; ein Kuhfell zum Anfassen; der Klang einer Kuhglocken-Kugelbahn fürs Ohr und eben echter Mist, der mit seinem Duft die Nase der Besucher mehr oder weniger umschmeichelt. 

Pfiffig und hilfreich zugleich ist die Idee, ein sogenanntes Milchbüchlein am Eingang des Bauernhauses auszulegen. Statt Zahlen zu Milchmengen und Preisen liefert es Hindergrundwissen zu Exponaten und Themen, die man vertiefen möchte. Dank nummerierter, kleiner Holzkühe lässt sich die gewünschte Information gezielt nachschlagen. Das Blättern in dem liebevoll und authentisch gestalteten Heftchen ist praktisch und sorgt zudem für einen Jöö-Effekt. Und genau darum geht es dem Kurator Samuel Studer: «Die Ausstellung soll bei den Besuchern ein breites Spektrum an Emotionen auslösen.»

Schoggi-Erfolg dank Kuhmilch
Wie von Studer angedeutet, gehören dazu auch weniger positive Gefühle, etwa beim «Gang zum Metzger». An dieser Station erinnern Werkzeuge wie ein Fleischerbeil, ein Knochenbrecher, ein Totschläger und ein Bolzenschussapparat daran, dass Kühe neben Milch auch Fleisch liefern und dafür sterben müssen. Der Erfinder des Bolzenschussapparats ist übrigens der Schweizer Benjamin Siegmund, der nicht nur Direktor des Schlachthofes von Basel war, sondern 1887 auch den Basler Tierschutzverein gründete.

(Kinder)freundlicher geht es dann wieder bei der «Alpfahrt im Alpstein» zu und her. Dort sind kleine und grosse Künstler eingeladen, selbst Hand anzulegen und einen sogenannten Sennenstreifen mitzugestalten, also eine lange Reihe von gemalten Kühen, die in vielen Appenzeller Bauernhäusern die Wände zieren. Wer danach eine künstlerische Pause einlegen möchte, kann in einem bequemen Liegestuhl Platz nehmen und via Kopfhörer den schönsten Mundart-Sagen und Märchen rund um die Kuh lauschen.

Die Audiokostproben verdeutlichen, wie vielfältig die Beziehungen der Schweizer zu ihrem inoffiziellen Nationaltier sind. Und was vielleicht nicht jedem bewusst ist: Dank der Kuh ist die Schweizer Schoggi zu einem Produkt von Weltrang geworden. Erst die Kuhmilch hat es nämlich geschafft, dass der Geschmack der vorher sehr bitteren Schokolade Ende des 19. Jahrhunderts die breite Masse begeisterte. Aus­serdem konnten eidgenössische Schokoladenproduzenten nun mit der allseits beliebten Kuh werben. Eine Erfolgsgeschichte, die bis heute andauert und deren Ende nicht abzusehen ist.

Die Ausstellung läuft bis zum 31. Oktober im Bauernhaus aus Ostermundigen (Nr. 331), erreichbar über den Eingang Ballenberg West. www.ballenberg.ch