Tiere sind gut fürs Gemüt. Zumindest trifft das für den ehemaligen Stararchitekten Thana aus der thailändischen Metropole Bangkok zu. Nur handelt es sich bei seinem «Seelentier» weder um einen Hund noch um eine Katze, sondern um einen ausgewachsenen Elefanten namens Pop Aye, benannt nach Thanas Cartoon-Helden. Dieser tritt zum richtigen Zeitpunkt in das Leben des 59-Jährigen, dessen bedeutendstem Bau der Abriss droht und dessen Ehe längst in Trümmern liegt. 

Da Thana in dem Dickhäuter einen Freund aus unbeschwerten Kindertagen wiederzuerkennen glaubt, kauft er das Tier einem Stras­senhändler ab und bringt es zu sich nach Hause. Doch dort benimmt sich Pop Aye buchstäblich wie ein Elefant im Porzellanladen. Bevor Thanas Frau die Flucht ergreift, entschliesst sich der gutmütige Thailänder, seinen Elefanten in das Dorf zurückzubringen, in dem die beiden aufgewachsen sind. Nicht etwa mit einem Transporter, sondern zu Fuss. Es beginnt eine abenteuerliche Reise quer durch Thailand mit zutiefst berührenden Begegnungen, aber auch mit unerwarteten Stolpersteinen.

«Pop Aye» ist das Spielfilmdebüt der aus Singapur stammenden Regisseurin Kirsten Tan. Die 37-Jährige erhielt dafür bereits zahlreiche Auszeichnungen, darunter das «Goldene Auge» am Zürich Film Festival für den besten internationalen Spielfilm. Auf die Idee, Pop Aye ins Zentrum ihrer Geschichte zu stellen, kam sie, als sie auf einer Thailandreise sah, wie Kinder einen Elefanten mit Wasser abspritzten. «Dieses grosse Tier passt einfach perfekt zu meinem Protagonisten Thana. Für beide scheint es in der Gesellschaft keinen Platz mehr zu geben», sagt Kirsten Tan. 

Vom Glücks- zum Geldbringer
Tatsächlich ecken beide fast überall an. Thana in seinem Architekturbüro und bei seiner Ehefrau; Pop Aye auf einem Supermarkt-Parkplatz und bei der Polizei. Das hindert das ungewöhnliche Duo aber nicht daran, sich einen Weg zu bahnen, um sein Ziel zu erreichen. Hilfe erhalten sie dabei ausgerechnet von Menschen, die selber Aussenseiter sind: von einem Randständigen, der sein letztes Hemd beziehungsweise seine Schuhe opfert; von einer Transsexuellen, die einem Polizisten die Schlüssel stiehlt, um Pop Aye von seinen Ketten zu befreien, und von einer jungen Mutter, die einen klapprigen Lastwagen für den verletzten Elefanten organisiert.

Der Film lebt von diesen herzerwärmenden Szenen und vom Sympathieträger Pop Aye, der im richtigen Leben Bong heisst. Er kitzelt mit seinem unfreiwillig komischen Verhalten immer wieder die Lachmuskeln. Etwa, wenn er einen Einkaufswagen hinter sich herschleift oder mit seinem Rüssel Thanas Ehefrau neugierig abtastet. 

Solch heitere Momente sind auch dringend nötig, denn über weiten Teilen des Roadmovies hängt ein Schleier voller Melancholie. Darunter verbirgt sich ein schwelender Konflikt zwischen Tradition und Wandel. Besonders deutlich wird das an Pop Aye selbst. Denn einst wurden in Thailand Elefanten als Glücksbringer verehrt, bis sie als Touristen-Attraktionen wie Zitronen ausgepresst wurden, um Einnahmen zu generieren. Und obwohl sich Thana diesem Trend entgegenstemmt und auf alte Werte besinnt, fragt sich der Kinobesucher am Ende, ob er den Saal lächelnd oder weinend verlassen soll.

«Pop Aye», Drama, 102 Minuten, Verleih: Frenetic Films, ab sofort in ausgewählten Kinos.

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