Eine Liste mit guten französischen Komödien ist länger als mancher Kurzroman. Der Kinofilm «Mon chien Stupide» verdient darauf auch einen Eintrag. Zumindest sprechen die ersten 20 Minuten eindeutig dafür. In dieser Zeit tritt ein massiger und faltiger Hund in das Leben des einst erfolgreichen und mittlerweile inspirationslosen Schriftstellers Henri. Mit seinen Kapriolen treibt der Neapolitanische Mastiff den Zuschauern Tränen in die Augen. Zum Beispiel, wenn er die Familiencouch in Beschlag nimmt und nicht daran denkt, sie wieder freizugeben. Oder wenn er sich ausgerechnet am Machofreund von Henris Tochter «vergreift». 

Da sich der ungezogene Vierbeiner als nicht besonders intelligent erweist, bekommt er den wenig schmeichelhaften Namen Stupide. Dennoch möchte der vor sich hinkriselnde Henri ihn als Einziger in der Familie behalten. Während er mit Stupide einen neuen Mitbewohner und Freund findet, wenden sich nach und nach seine Kinder und schliesslich seine Frau von ihm ab. Spätestens jetzt überwiegen die tragischen und dramatischen Momente. Sie zeigen enttäuschte Erwartungen, Feindseligkeiten gegenüber dem einst über alles geliebten Partner – und dass (jugendliche) Kinder eine schwere Belastung sein können. Dies geschieht mit einer Authentizität, die wie ein Tattoo unter die Haut geht. 

Sympathische Aussenseiter
Dem Molosser Stupide kommt dabei eine wichtige und letztlich gar nicht so lustige Rolle zu, wie es zu Beginn scheint. Er ist laut Regisseur und Hauptdarsteller Yvan Attal Augenöffner, Auslöser und Spiegel. «Stupide ist missraten wie meine Figur. Niemand will ihn, er widert an und bringt zur Verzweiflung», sagt Attal. Doch beide nehmen auch eine sehr liebenswerte, sympathische Aussenseiterrolle ein.

Keine Aussenseiterin und dennoch einsam ist die weibliche Protagonistin, Henris Ehefrau Cécile, gespielt von der renommierten Schauspielerin Charlotte Gainsbourg. Sie kann den Alltag nur noch mit Alkohol bewältigen und verachtet ihren Mann und den Hund Stupide gleichermassen. Auf der anderen Seite opfert sie sich für ihre Kinder auf und kämpft um ihre kaputte Beziehung. 

Auch hier ist die Glaubwürdigkeit ein entscheidender Trumpf. Das Zusammenspiel zwischen Attal und Gainsbourg ist so vertraut, dass der Kinobesucher sie glatt für ein echtes Paar hält. Tatsächlich sind die beiden seit Jahrzehnten privat liiert und haben drei gemeinsame Kinder.

Dank der grossartigen Schauspieler (inklusive Hund) und der wunderbaren musikalischen Untermalung des amerikanischen Jazzpianisten Brad Mehldau ist die Verfilmung des US-Kultromans «My Dog Stupid» ein ergreifendes und sehenswertes Werk. Es zeigt, dass aus Frankreich nicht nur hervorragende Komödien, sondern auch Dramen kommen. Oder in diesem Fall eine Mischung aus beidem.

«Mon chien Stupide», Tragikomödie, 106 Minuten, Verleih: Frenetic Films, ab sofort in ausgewählten Schweizer Kinos.

[IMG 2]