Einleitende Zitate berühmter Persönlichkeiten erfreuen sich grosser Beliebtheit. Und manchmal ergeben sie durchaus Sinn. Etwa beim Film «Streuner – Unterwegs mit Hundeaugen». Dort leuchtet zu Beginn weiss auf schwarz eine Weisheit des griechischen Philosophen Diogenes von Sinope auf: «Das Leben der Menschen ist geprägt von Affektiertheit und Heuchelei, sie täten gut daran, sich mit dem Leben der Hunde zu befassen.» Genau das tut die US-amerikanische Dokumentation. Und zwar mit dem Leben der drei Strassenhunde Zeytin, Nazar und Kartal.

Die drei leben wie unzählige weitere Streuner in der türkischen Metropole Istanbul. Einst waren sie im gesamten Land verhasst und von Massentötungen betroffen. Doch nach massiven Protesten sind Strassenhunde in der Türkei seit 2004 geschützt. Sie dürfen weder getötet noch gefangen werden. Diesen besonderen Status spürt der Zuschauer schnell. Zumindest vor der Kamera bremsen Autofahrer rücksichtsvoll für Hunde, füttern Tierfreunde die Vierbeiner und versorgen Einheimische verletzte Streuner. Entsprechend suchen die Hündinnen Zeytin und Nazar sowie der Welpe Kartal immer wieder die Nähe der Menschen. Trotzdem führen sie ein weitgehend unabhängiges Leben.

Aufregend, witzig und niedlich
Das Werk der Regisseurin Elisabeth Lo kommt ohne Drehbuch und Erzähler aus. Die Geschichten «erzählen» die Hunde selbst, die der Zuschauer buchstäblich auf Augenhöhe begleitet. Den Ton geben die Umgebungsgeräusche an –mit einer gelegentlichen dezenten musikalischen Untermalung. Dadurch liegt der Fokus voll und ganz auf den vierbeinigen Protagonisten. Ihnen zu folgen ist ganz schön aufregend, zum Beispiel, wenn es zu Kämpfen mit anderen Hunden kommt. Aber auch ziemlich witzig, wenn Streunerin Zeytin in einer noblen Einkaufsstrasse scheinbar argwöhnisch auf zwei in edle Mäntelchen gepackte Schosshündchen blickt. Und auch ganz schön niedlich, wenn Welpe Kartal zusammen mit seiner Rasselbande herumtollt.

Wer sich fragt, wie es möglich gewesen ist, die ständig herumstreunenden drei Hunde im riesigen, verwinkelten Istanbul über einen längeren Zeitraum vor die Kamera zu bekommen, erhält eine einfache Antwort: Dank dem Navigationssystem GPS. Am Ende jedes Drehtages bekamen Zeytin, Nazar und Kartal ein GPS-Halsband angelegt, sodass das Filmteam sie jederzeit wiederfinden konnte.

«Streuner» ist das Hunde-Pendant zur Katzendokumentation «Kedi», die ebenfalls in Istanbul spielte. Die Dokumentation verneigt sich vor den zahlreichen herrenlosen Hunden, die zusammen mit den Katzen, das Stadtbild der Bosporus-Metropole prägen – und bestens integriert sind. Wie gut zeigt spätestens Zeytin, als sie in den Gebetsruf des Muezzins einstimmt. Einfach köstlich!

«Streuner – Unterwegs mit Hundeaugen», Dokumentarfilm, 72 Minuten, Verleih: Ascot Elite, ab sofort auf allen digitalen Plattformen und als DVD (ca. Fr. 17.–) erhältlich.