Das Erste, was die Besucher in der Ausstellung «Federn – wärmen, verführen, fliegen» sehen, ist eine gros­se Plexiglasscheibe. Kein ungewöhnlicher Anblick in Corona-Zeiten. Dicht auf dieser Scheibe sind kunstvoll Federn in jeder Form, Farbe und Grösse angeordnet. Es sind die 3156 Federn, die ein Grünspecht hatte, den man tot auffand. Die Präparatorin Claire Gohard hat sie sortiert und ein sogenanntes Rupfbild gestaltet. Eindrücklich zeigt es die Vielfalt der Federn, die das Gefieder eines einzigen Vogels ausmachen. Es ist die Darstellung eines Kunstwerks der Natur und gleichzeitig ein menschgemachtes Kunstwerk, das die Schönheit der Vogelfeder ins beste Licht rückt.

Im Gewerbemuseum Winterthur staunt man darüber, was es zum Thema Federn alles zu erfahren gibt. Wie die Tiere zu ihren Federn kamen, zeigt ein Bild des Anchiornis, der vor 155 Millionen Jahren zwischen den Dinosauriern und den ersten Vögeln stand. Die Wissenschaftler vermuten, das Tier habe sein Federkleid als Isolation genutzt, die Flugfähigkeit sei erst später dazugekommen. Dass sich die Menschen die Isolationsfähigkeit zunutze machen, illustriert eine Federbettdecke. Ausserdem lernt man, dass die Daunensteppjacke 1940 vom amerikanischen Geschäftsmann und Abenteurer Eddie Bauer patentiert wurde. Der Mann entwickelte übrigens auch den Federball, der beim wettkampfmässigen Spiel mit echten Federn versehen ist.

Federn sind aber nicht nur praktisch für den Menschen, sondern auch edle Schmuckstücke, die zum Beispiel Damenhüte zieren. Auch Gala-Uniformen früherer Zeiten waren oft mit Federbüschen geschmückt. Für Revuetänzerinnen gehörten Federn stets zum Glanz-und-Glimmer-Kostüm. Dass Modeschöpfer für besondere Zwecke auch heute noch Federn verwenden, zeigen in der Ausstellung einige originelle Beispiele. Wobei im selten gewordenen Kunsthandwerk der sogenannten Plumassiers die Federn kräftig bearbeitet, etwa gefärbt, werden. Genutzt als künstlerisches Material wird ihre wunderbare Feinstruktur.

Kulturelle Bedeutung
Nicht alle Federn enden jedoch in warmen Bettdecken oder auf Modeschauen. Abfälle aus der Geflügelproduktion werden als chemische Rohstoffe genutzt. Hundefutter, Dünger, aber auch Körperpflegeprodukte enthalten Keratin, aus dem die Federn bestehen. Die Federn, die im Poulet-Schlachthof übrig bleiben, werden nicht vernichtet, sondern weiterverarbeitet.

Eine ganz andere Seite der Federn und des Fliegens stellen die naturwissenschaftlichen Beiträge in der Schau dar. So wird beispielsweise ein Rundflug aus der Perspektive eines Adlers gezeigt, der mit einer speziellen Kamera ausgerüstet wurde. Spannend ist auch, die Zugwege von 458 Weissstörchen auf einer Weltkarte zu verfolgen.

Die Ausstellung zeigt überraschende Seiten der Federn. Federn sind zum Beispiel das Material, mit dem die Fliegenfischer ihre höchst kunstvollen Köder binden. Zu sehen sind ausserdem kleine Modellflieger aus echten Vogelfedern. Der deutsche Segelflieger Hermann Holzhauser hatte aus Schwung-, Deck- und Schwanzfedern von Tauben flugfähige Modelle konstruiert, die nur wenige Gramm wiegen. 

Auf die Bedeutung der Federn in der Kultur weist eine Sammlung von Plattenhüllen hin, mit dem Vogelfänger Papageno aus der Mozart-Oper «Die Zauberflöte» an der Spitze. Auch die enorme Bedeutung des Federschmucks bei den Indianern wird erklärt. Bei ihnen sind Federn ein Zeichen der Würde und auch ein Hinweis auf übersinnliche Fähigkeiten. In Zeiten, in denen viele indigene Völker bedrängt werden, sind die Federn auch ein Mittel, die Identität zu zeigen.

Die Ausstellung läuft bis zum 1. November im Gewerbemuseum Winterthur.
www.gewerbemuseum.ch