Manche Horrorfilme verfolgen uns jahrzehntelang: Wer nicht schon einmal beim Anblick eines grossen Schwarms Krähen oder Möwen an Alfred Hitchcocks «Die Vögel» (1963) gedacht und dabei den Anflug einer Gänsehaut verspürt? Die Szenen aus dem Horrorklassiker, in denen die Bewohner eines Küstendorfes von aggressiven Vogelschwärmen verfolgt werden, sind an sich schon unheimlich. Der Gruselfaktor steigt aber noch, wenn man daran denkt, dass sich Hitchcock nicht nur von Daphne du Mauriers Kurzroman «Die Vögel», sondern auch von tatsächlichen Vorfällen im kalifornischen Capitola inspirieren liess. 

Dort waren am 18. August 1961 in der Nacht Tausende orientierungslose Sturmtaucher gegen Fenster, Hausdächer und Stromleitungen gekracht. Am Ende waren die Strassen der Kleinstadt übersät mit Kadavern und es stank bestialisch. Die Ursache für das bizarre Verhalten ergründeten Meeresbiologen erst 50 Jahre später. Die Vögel hatten Fische gefressen, welche die Kieselalge Pseudo-nitzschia vertilgt hatten. Und die produziert an Kaliforniens Südküste gelegentlich die giftige Domoinsäure, die zu Übelkeit, neurologischen Ausfällen und dem Tod führen kann.

«Die Vögel» gilt als einer der ersten grossen und bis heute bekanntesten Tierhorror-Klassiker. Der richtige Boom des Genres begann allerdings erst 1975, als der «Weisse Hai» von Stephen Spielberg rund 470 Millionen Dollar einspielte und wohl einigen Kinobesuchern zumindest zeitweise das Schwimmen im Meer vermieste. 

Sehen Sie hier den Trailer zu Alfred Hitchcocks «Die Vögel»:

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Das Rezept ändert sich selten
Nach Spielberg schickten andere berühmte und vor allem auch viele weniger populäre Regisseure Haie und andere Killertiere auf die Leinwand. Viele treiben davon unter Wasser ihr Unwesen, wie in «Tintorera! Meeresungeheuer greifen an» (1977), «Der Mörder-Alligator» (1989) und «Piranha» (2006). Unter den Protagonisten finden sich auch Insekten, Würmer und Spinnentiere, die ja bei vielen Menschen schon ein gewisses Unbehagen auslösen. «Camel Spiders – Angriff der Monsterspinnen» (2011) ist nur einer von zahlreichen Tierhorrorfilmen, der von Kritikern als «Trash­film» eingeordnet wird, also als ein qualitativ schlechter, billig gemachter Streifen.

Der Trailer zu Steven Spielbergs «Der weisse Hai»:

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Die Plots ähneln sich häufig: Ein oder viele Tiere werden durch Umwelteinflüsse, wissenschaftliche Experimente oder Magie extrem gefährlich, richten ein grosses Blutbad an und können, wenn überhaupt, nur vom mutigen Helden besiegt werden. Ein aktuelles und typisches Beispiel: In «Unnatural» (2015) wollen Biologen Eisbären durch Genmanipulation vor dem Aussterben retten und schaffen dabei versehentlich ein riesiges Monster, das Topmodels und Wissenschaftler jagt.

Gelegentlich mutieren auch Tiere, die in natura völlig harmlos sind. In «Night of the Lepus» (1972) werden Kaninchen zu Menschenfressern, nachdem Wissenschaftler Roy versucht hatte, der Kaninchenplage mit einem neuen Serum Einhalt zu gebieten. In «The Boneyard» (1991) frisst ein niedlicher Pudel Zombiefleisch und wird zur Bestie. Aus dem gleichen Jahr stammt «Wahnsinns-Trip», in dem das Nuklearmutanten-Eichhörnchen Tromie sein Unwesen treibt.

Während Altmeister des Horrors wie Hitch­cock noch auf vergleichsweise subtile Bilder und spannende Plots setzten, geht es den Trash­filmstudios vor allem darum, viel Blut und Eingeweide spritzen zu lassen. Das ist eklig, aber oft auch so aberwitzig, dass nur noch die wenigsten Zuschauer wirklich Angst bekommen dürften. Vielleicht ist das aber auch gar nicht die Absicht der Filmemacher. Werke wie die neuseeländische Produktion «Black Sheep» (2007), die zunehmend absurde und blutige Geschichte eines genmanipulierten Schafes, dessen Bisse auch andere Lebewesen zu Monstern machen, werden als «Horrorkomödien» bezeichnet. 

«Black Sheep» vom neuseeländischen Regisseur Jonathan King aus dem Jahr 2006:

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