Bereits William Shakespeares König Richard III. rief händeringend: «Ein Pferd, ein Pferd, mein Königreich für ein Pferd!» Hände kommen in der aktuellen achtteiligen Bilderserie der Künstlerin Tamara Krieger ebenfalls vor. Doch spielen Stuten, Wallache und Hengste in diesen Werken die Hauptrolle. Auf die Idee kam die Aargauerin nach einem Flohmarktbesuch. Dort fand sie ein Buch über Pferderassen und ihre Haltung. «Ich war von den Bildern fasziniert, weil mich Pferde schon immer begeistert haben», sagt Krieger. «Für mich versinnbildlicht ein Pferd die Dualität zwischen grosser Stärke und intensiver Sensibilität.» 

Auf den Bildern spielen die Pferde Haupt- und Nebenrollen. Darin sieht sie eine Parallele zum Leben, in dem Pferde den Menschen mal öfter und mal seltener begleiten. Das trifft auch auf Tamara Krieger zu, die bedauert, dass sie nicht reiten kann und deshalb auch kein Pferd besitzt. «Aber es hat immerhin zu einem Kater namens Jimmy gereicht, den ich heiss und innig liebe», erzählt die kreative Frau aus dem aargauischen Endingen. Seit rund zehn Jahren ist sie als Gestalterin und Künstlerin tätig und stellt ihre Werke im In- und Ausland aus.

Gerissen, nicht geschnitten
Die Technik, die Krieger für alle ihre Werke anwendet, ist die Collage, also die Erschaffung eines neuen Ganzen, indem verschiedene Elemente auf eine Unterlage aufgeklebt werden. Die Bezeichnung stammt vom französischen «coller», was «kleben» bedeutet. Diese Technik bestimmt Kriegers Werke. Zusätzlich dazu erzeugt sie stimmige Hintergründe mit Acryl-Farben. «Meine Collagen sind ein Zusammenspiel aus sorgfältig ausgewählten Fragmenten, konsequent harmonischen Kulissen und vielschichtiger Imagination», erklärt sie. 

Ihre Bilder bestehen auf den ersten Blick aus Komponenten, die scheinbar willkürlich eine Verbindung eingegangen sind. Bei genauer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass jedes Detail sorgfältig herausgesucht ist, um eine vollendete Komposition zu erreichen. «Dabei ist mir Ausgewogenheit in Farbe und Form genauso wichtig wie die Affinität hin zum Abstrakten und Surrealistischen», erklärt die 52-Jährige.

Anders als bei zahlreichen Collage-Künstlerinnen und -künstlern bleibt die Schere bei ihr als Hauptwerkzeug in der Schublade. Für sie seien von Hand herausgerissene Papierschnipsel aus Printerzeugnissen reizvoller, weil die so entstandenen organischen Formen und unebenen Konturen eine leicht verschwommene Spannung auf der Leinwand erzeugen würden.

So ist es kaum verwunderlich, dass in ihrem Atelier hunderte nach Farben geordnete Teilchen aus Papier archiviert werden. Bei der Auswahl der Schnipsel achtet Krieger auf verschiedene Kriterien. Mal interessiert sie das Objekt, mal die Form und mal die Textur. «Farbige Muster eignen sich zum Beispiel besonders gut für die Formgebung, wobei leicht Wiedererkennbares wie Augen oder Hände gleichfalls wichtige Bestandteile meiner Werke sind», erklärt sie.

Verweilende Blicke
Weil Krieger sich stets auf die Suche nach neuem künstlerischen «Stoff» macht, ist sie häufig auf Flohmärkten und in Brockenhäusern anzutreffen. «Ich verwende alte Fotos, Briefe, Landkarten, Strickmuster und eigentlich alles, was mich fasziniert», sagt die Kunstschaffende, die sich selbst einen Hang zur Exzentrik zuschreibt. «Diese Sachen bewahre ich teilweise lange auf, bis sie ihren Weg in ein Bild finden.» Nicht so bei den Pferden, bei denen sie direkt eine Vision hatte, wie sie die Bilder umsetzen würde. 

Dies hat Tamara Krieger, die auch Workshops anbietet und durchführt, in ihrer typischen, unnachahmlichen Art getan: mit einer gehörigen Portion Humor und einem Augenzwinkern. Etwa, indem sie ein Pferd mit Mädchenbeinen darstellt oder indem sie eine zweigeteilte Stute in einen Zugwaggon integriert. Die Werke mögen – was in der Sache der Kunst liegt – Geschmackssache sein und nicht jeden auf Anhieb ansprechen. Sie lenken aber zweifellos neugierige Blicke auf sich und laden zum Entdecken und Verweilen ein.

Die Originale können in Tamara Kriegers Atelier in Endingen besichtigt und erworben werden. www.tamarakrieger.ch