Das Kälteste, was Dionys Moser erlebt hat, waren minus 43 Grad in Finnland. Zwar treten Polarlichter das ganze Jahr durch auf, aber damit sie schön zu sehen sind, muss es dunkel sein – und das ist in Polnähe nun mal nur im Winter der Fall. Seit zehn Jahren fängt Moser die Aurora Borealis, wie der Fachbegriff für das Polarlicht lautet, jeden Winter mit seinen Fotokameras ein. Es ist Teil seines Berufs, er organisiert Fotoreisen, und diejenigen zum Polarlicht sind eine seiner Spezialitäten. «Ich habe einfach einen etwas weiten Arbeitsweg», sagt er.

Das erste Polarlicht fotografierte der Luzerner 2007, dabei hatte er es von Auge nicht einmal gesehen. Dreissig Sekunden Belichtungszeit solle man einstellen, sagte ihm der Guide, und tatsächlich erkannte man dann auf dem Foto einen grünen Schimmer am Horizont. Schon am nächsten Tag erblickten er und seine Frau dann ein etwas stärkeres Polarlicht, das auch bessere Fotos gab.

Hohe Erfolgsquote dank Wetterkenntnis
Seither ist viel gegangen. Da ist auf der einen Seite die Kameratechnik. «Wir können heute mit so kurzen Belichtungszeiten arbeiten, dass die Sterne gestochen scharf kommen», schwärmt er. «Auf den Fotos treten Details hervor, die von Auge nicht mehr erkennbar sind.» Auf der anderen Seite kann Moser auf einen riesigen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Ein Polarlicht vermag derart zu faszinieren, dass die Menschen darob die Kälte vorübergehend vergessen, doch dieses Natur­spektakel auch fotografisch einzufangen, ist eine andere Sache. «Die automatischen Einstellungen kann man vergessen», sagt Moser.

Meist leitet er die Polarlicht-Fotoreisen nach Finnland selber, während er für Norwegen Freelancer anheuert. Er sorgt dafür, dass die Teilnehmer vor lauter Entzücken über das Naturphänomen das Fotografieren nicht vergessen, steht ihnen mit Tipps und Tricks zur Seite und hat selber drei oder vier Kameras am Laufen. Eines kann aber auch er nicht geben: die Garantie, ein Polarlicht zu sehen. «Das macht es ja gerade spannend», sagt er, «so ist die Natur.» Doch dank seiner Erfahrung und seinen Kenntnissen in Meteorologie – er hat Geografie studiert – ist die Erfolgsquote sehr hoch. Sogar bei Schneesturm findet er auf dem Wetterradar meist ein Loch, in das er mit seiner Reisegruppe fahren kann.

Wie ein Polarlicht zustande kommt, ist bekannt: Die Sonne eruptiert bei ihrer natürlichen Aktivität Teilchen, die in der Erdatmosphäre auf andere Teilchen stossen, bei deren Zusammentreffen es zum Leuchten kommt – ähnlich den Funken beim Zusammenschlagen zweier Steine. Unklar ist hingegen, wieso dieses Phänomen einem Zyklus folgt. Alle sieben Jahre folgt ein Maximum, dieser Winter war gut, der nächste verspricht ebenfalls noch viel, danach wird es für zwei, drei Jahre schwierig.

Doch Moser fotografiert auch in anderen Gegenden der Welt. Mehr als die Hälfte des Jahres ist er unterwegs, ihn faszinieren die Farben der Frösche im Regenwald Ecuadors ebenso wie die Wüste in Namibia und Bären in Kamtschatka. Auch zu Hause, in einem Dorf in der Nähe von Luzern, hat er den Apparat und das Stativ stets griffbereit, um etwa einen schönen Sonnenaufgang von seinem Balkon aus abzulichten.

Mit Fotografieren hat er schon früh begonnen. «Ich war ungefähr fünf Jahre alt, als mein Vater mir meine erste Kamera schenkte», sagt er. Damals war selbstverständlich noch nichts digital – Moser hat Jahrgang 1961 –, doch die analoge Entwicklungstechnik hatte ihren eigenen Reiz. «Mein Vater tauchte ein weisses Papier in eine Flüssigkeit in der Badewanne, und heraus kam ein Foto», erzählt Moser. «Das beeindruckte mich.»

Er begann, Grosseltern, die Tante, Cousins zu fotografieren und gewöhnte sich als Schüler an, seinen eigenen Apparat immer im Thek dabei zu haben. So begann er auch, mit dem Fotografieren Geld zu verdienen: «Wenn irgendwo ein Lastwagen umfiel, fotografierte ich und brachte die Bilder zur Zeitungsredaktion. Dafür erhielt ich 20 Franken und einen neuen Film.» Noch blieb das Fotografieren ein Hobby, Moser liess sich zum Primarlehrer ausbilden. Am Seminar hörte er zum ersten Mal vom Polarlicht und war fasziniert. Ein paar Jahre später sah er in einer Geografievorlesung an der Uni ein Foto davon, das jedoch wenig gemein hatte mit den Bildern, die er inzwischen selber macht – es zeigte einfach einen grünlichen Himmel.

Ein Millionenbusiness für Skandinavien
Seine Reiselust führte ihn vorerst aber in wärmere Gegenden, besonders die Weisse Wüste in Ägypten hatte es ihm angetan. Über hundert Mal hat er sie bereits besucht, früher teils monatelang zu Fuss, ein Auto zu mieten konnte er sich nicht leisten. 1998, als 37-Jähriger, begann er unter dem Namen «Moser Abenteuer und Kultur» Erlebnisreisen anzubieten. Das Fotografieren bekam einen immer grösseren Stellenwert, er gab den Teilnehmern Tipps zur Ausrüstung und zu Einstellungen; und vor fünf Jahren benannte er sein Reisebüro in fotoreisen.ch um und bietet inzwischen nur noch Fotoreisen an.

Auch auf seiner ersten Reise zum Polarlicht im Jahr 2007, gleichzeitig die Hochzeitsreise, ging es bereits ums Fotografieren. In ihrer Destination – Tromsø in Norwegen – gab es damals noch sehr wenig Tourismus. «Im Tourismusbüro, das aus einem Raum von rund drei mal drei Metern bestand, war man sehr erstaunt, dass es Menschen gab, die für das Polarlicht zahlten», erzählt er. Inzwischen ist es für diese Region ein Millionenbusiness geworden. Was nicht nur Nachteile hat: Immerhin stehen Moser nun mehr als nur zwei Hotels zur Verfügung, und er kann vor Ort Autos mieten, statt wie früher persönlich VW-Busse aus der Schweiz hochzufahren.

Noch immer hat Moser der Konkurrenz einiges an Erfahrung voraus, besonders im Einschätzen des Wetters. Und noch einen Unterschied erwähnt er: «Die grossen Anbieter sind meist gegen Mitternacht im Hotel zurück, bei mir kann es auch mal drei oder vier Uhr nachts werden.» Denn er verfolgt ein klares Ziel, und meist erreicht er es auch: das perfekte Polarlichtfoto.

www.dionysmoser.ch
www.fotoreisen.ch