Die Milch ist noch müde vom Alpaufzug», erklärt die Sennerin, «aus der mache ich Schmelzkäse. Der Alpkäse kommt später.» Der Aufstieg gestaltete sich mühsam, wie in jedem Sommer, wenn es wieder ins Oberland auf die Engstligenalp geht. Das Ehepaar Pieren bewältigte nahezu 50 Alpsommer ohne fliessendes Wasser, ohne Strom, ohne Handy – und liebt es. Heuer wird Prinzessin geboren, ein Kälbchen, das ganz gelb verschmiert ist. «Das kommt davon, weil sie übertragen ist», sagt die Sennerin. Zur Belohnung für das gelungene Baby bekommt die Mutterkuh Wein, Eier und Brot in den Futtertrog. An langen Abenden vertreibt sich das Ehepaar die Zeit mit Puzzeln – das Motiv heisst natürlich «In den Alpen».

Bei Familie Neff im Alpstein wohnen neben Kühen auch Schweine und Ziegen, liebevoll betreut von Eltern und Kindern. Der kleine Sohn entschuldigt sich sogar bei den Schweinen, wenn aus Versehen das Futter zwischen den Schlappohren landet. Das Butterfass wird gedreht und das Produkt in stil­echten Mödeli geformt. Die erwachsenen Töchter und der Sohn planen die Alp zu übernehmen, auch wenn das im Sommer 17-Stunden-Tage bedeutet.

Im Muotatal dreht sich alles um 1100 Schafe, die von ihren Besitzern der Familie Ulrich anvertraut wurden. Per Helikopter kommt ein Grosseinkauf angeflogen. Auch ein Kleinbagger findet so in die Abgeschiedenheit, denn ein Anbau mit einem Bad samt Boiler steht auf dem Plan. «Vor allem wegen der Kinder», sagt die Mutter, die ihrem Nachwuchs nicht länger zumuten will, draussen mit kaltem Wasser zu duschen. Dafür haben die kleinen Ulrichs einen Heidenspass im Stall, denn auf Kuhfladen schliddert es sich besonders gut. Die warme Dusche wartet inzwischen schon. Vater Ulrich singt mit Holztrichter als Naturmegaphon sein «Ave Maria» ins Tal und sein kleiner Sohn eifert ihm beim historischen Alpsegen schon ganz passabel nach.

Gämsen breakdancen auf dem Schnee
Nach dem Erfolgsfilm «Z’Alp» aus dem Jahr 2013 bringt Thomas Rickenmann nun die Fortsetzung in rund 45 Kinos über die ganze Schweiz verteilt. Der Regisseur schrieb auch für «Alpzyt» das Drehbuch, führte Regie, war Kameramann, Ton- und Schnitttechniker in einer Person. Die Musik zum Film lieferten zahllose Chöre und Formationen aus den gefilmten Gegenden mit Jodlerweisen oder Schunkelmelodien. Rickenmann hat viele Wochen an den drei Orten verbracht und die Gastfreundschaft seiner Filmfamilien genossen. Sein Untertitel «Keine Ferien, aber schöner» bestätigt das. 

Die Authentizität der 100 Minuten in freier Natur nehmen den Zuschauer mit in eine Welt, in der sich alles um die Tiere dreht. Mit liebevollem Kamerablick fing der Filmemacher Situationen ein, bei denen einem das Herz aufgeht: Gämsen beim Breakdance auf einem Schneefeld – ein schwarz-weisser Border Collie, der sich mit einer ebenso gefärbten Kuh am Brunnen ums Wasser streitet – Kühe, die sich gegenseitig das Fell pflegen. Es gibt unzählige Momente des Innehaltens. 

Szenen wie das mühselige Heuen am Hang zeigen dem Zuschauer, wie beschwerlich das Alpleben sein kann, während das eingespielte Lied wissen lässt: «Wer nid höiet, chunnt zu nüt.» Denn auch im Sommer kann jederzeit der Schnee kommen, der die Weiden bedeckt. Der Weg zurück ins Tal verlangt den Familien wieder einiges ab. Das Kälbchen «Prinzessin» besteigt zusammen mit anderen die Gondelbahn. Eine Kuh legt sich mitten auf den Weg und fordert eine Pause, die dann eineinhalb Tage dauert. Über tausend Schafe finden wieder zu ihren Besitzern, denn jedes ist anders gekennzeichnet. 

Der Film «Alpzyt» lädt zu einer Reise in die Alpenwelt ein, in der Menschen voller Leidenschaft im Einklang mit Tier, Natur und Wetter leben. 

«Alpzyt», Dokumentarfilm, 90 Minuten, Verleih: MovieBiz Films, Aufführungsorte unter: www.alpfilm.ch.

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