Eigentlich beginnt er bereits, wenn das «Bipperlisi» ruckelnd seine Fahrt aufnimmt, der kulturelle Ausflug ins beschauliche Attiswil. Das tramähnliche Bähnchen tuckert gemächlich durchs bernische Bipperamt, das in drei Himmelsrichtungen vom Kanton Solothurn umschlossen ist.  Dort, zwischen «Halt-auf-Verlangen»-Stationen liegt das 1300-Seelen-Dorf Attiswil. Seit 2008 organisiert das örtliche Museum regelmässig den «Kunstweg», einen Dorfrundgang von Kunstwerk zu Kunstwerk.

Während es im Keller des ehemaligen Heimatmuseums noch folkloristisch-brav nach holzwurmzerfressenen Kommoden und hundertjährigen Webstühlen riecht, konzentriert sich der ehrenamtlich geführte Museumsverein nun auf die frische Luft. Dort hatte er 2011 im Rahmen der Ausstellung «Kulturundum» mit einem rosarot angemalten Kirchturm für Kontroversen in den Medien gesorgt. Diesen Sommer sind die Tiere an der Reihe. Unter dem Motto «Tierisch gut» sind noch bis Ende Oktober 34 Skulpturen, Plastiken und Installationen im ganzen Dorfkern verteilt, die allesamt Redewendungen rund um die Tierwelt verbildlichen.

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Die «Schrägen Vögel» der Attiswiler Primarklasse.
© Matthias Gräub 

So unterschiedlich die Materialien sind, mit denen die Künstler arbeiten, so unterschiedlich sind auch die Ansätze, mit denen sie an ihre Werke herangehen. So stellt etwa ein lebensgrosses Krokodil aus rostigen Fahrradketten neben einem metallenen Tropfen – ganz offensichtlich – die Redensart «Krokodilstränen weinen» dar, während das «Kuckucksei» abstrakt durch eine riesige, zerdrückte Getränkedose aus Stein dargestellt wird. Tiefgründige politische Botschaften der Künstler sorgen auf diesem Rate- und Staunspiel quer durch Attiswil für «Aha-Effekte» seitens der Spaziergänger. Kein Fleck bleibt ohne Kunst, in den Vorgärten sammeln sich Rabenväter, Pleitegeier und andere schräge Vögel. Die Anwohner stören sichnicht daran, sondern freuen sich über die temporäre Dekoration ihrer Hausecken und Fassaden.

Trotz der Abgeschiedenheit finden viele Kunstinteressierte den Weg nach Attiswil
Besser könnte die Bühne für diesen Tierspaziergang nicht gewählt sein. Es ist genau diese Ländlichkeit, die das Flair des Kunstwegs ausmacht. Hier wird das Wort «Kaff» zum Kompliment. Metallskulpturen, nicht zwischen Betonblöcken, sondern zwischen Gartenbeeten. Ein Kontrast, der in einer städtischen Umgebung nicht zu erreichen wäre. Dazu kommt ein gewisses Lokalkolorit, denn immerhin vier der 34 Kunstwerke stammen aus Attiswiler Hand. Darunter befindet sich auch eins von einer hiesigen Primarklasse. Der Rest stammt von verschiedenen Künstlern aus allen Teilen des Mittellands.

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Die «flatterhaften Schmetterlinge» befinden sich im Innern des Museums.
© Matthias Gräub 

Auch wenn das Künstlerdorf nicht gerade auf einer Hauptverkehrsachse liegt, finden viele Besucher den Weg zur Ausstellung. Vor allem an Sonntagen sind im Dorf jeweils zahlreiche kunstinteressierte Tagesausflügler unterwegs, bestätigt Peter Schaad vom Museumsverein. Dann ist nämlich auch das Museumsgebäude geöffnet und gibt den Blick auf weitere Installationen frei, die aus nicht-allwettertauglichen Materialien gefertigt sind. 

Geld fliesst in Attiswil keines: Die Künstler stellen ihre Hasenfüsse und Froschkönige eigenhändig auf, schaffen damit Interesse an ihren verkäuflichen Werken und das Publikum darf sich gratis auf Erkundungstour durch gerupfte Hühner und fleissige Ameisen machen. Ob im Gänsemarsch oder mit Schmetterlingen im Bauch. Das ist gute Werbung für das aufstrebende Dorf, das mit dem Kunstweg den Spagat zwischen Kultur und Agrikultur «tierisch gut» meistert.