Abgelegen ausserhalb des kleinen jurassischen Dorfes Vicques, westlich von Delémont, liegt die Arche de Noé, Christian Schneiters Tiergalerie. An diesem Samstagnachmittag haben viele Leute den Weg dorthin gefunden. Eine Gruppe Schüler und Schülerinnen strömt ins Museum. Schnei­ter erklärt den «Ferienpass»-Teilnehmenden die Arbeit eines Tierpräparators. Zunächst forme dieser aus Kunststoff den Körper des Tiers – als Beispiel zeigt er ein Wildschweinmodell. «Wichtig sind die Muskeln, damit das präparierte Tier lebendig wirkt», sagt Schnei­ter. Dann wird die gegerbte Tierhaut auf die Körperskulptur geleimt. Das Fell muss nun an gewissen Stellen zusammengenäht werden. Zuletzt werden die künstlichen Augen eingesetzt – fertig ist die Wildsau! Was einfach klingt, ist jedoch eine Arbeit von gut einer Woche – vom Erstellen der Skulptur über das Fellgerben bis zur Montage – und erfordert absolute Sorgfalt und Präzision.

Nach Schneiters Erläuterungen des Berufs eines Taxidermistes – wie ein Tierpräparator im Französischen heisst – wird die Schülerschar auf den Museumsrundgang entlassen. Auf zwei Stockwerken, insgesamt 1500 Quadratmetern, erstreckt sich Schneiters Privatsammlung – die grösste Europas. Über 3000 ausgestopfte Tiere aus allen Kontinenten erwarten die Besucher. Hier spielen ein paar junge Geparden zusammen, dort pirscht sich ein nordamerikanischer Puma an Beute an, auf einer Arktischen Eisscholle richtet sich ein Eisbär bedrohlich auf. Durch die arrangierten Szenen wirken die toten Tiere unheimlich lebendig. Es gibt exotische Geschöpfe zu entdecken, die man in keinem Schweizer Zoo zu sehen bekommt. Ein Fenster gewährt Einblick in Schneiters Atelier, wo Adler, Tiger, Pinguin, Zebra sowie viele andere Tiere wild durcheinanderstehen und auf die letzten Nadelstiche warten.

Christian Schneiter liebt seine Arbeit als Tierpräparator, sein Beruf ist gleichzeitig sein Hobby. «Je suis passionné», sagt er. Er sei angefressen, arbeite jeden Tag in seinem Atelier, ob an einem Kundenauftrag, von denen er finanziell lebt, oder für seine Sammlung. Samstag und Sonntag sind für ihn ebenfalls keine freien Tage, da steht er nachmittags im Museum, macht Kasse, führt den Einführungsfilm vor, spricht mit den Besuchern über seine Tätigkeit. Ein Ein-Mann-Betrieb also – jedenfalls meistens. Nur manchmal hilft ihm ein anderer Tierpräparator im Atelier, dann freut er sich über Gesellschaft sowie den gegenseitigen Austausch. «Wir sind wie zwei gute Köche, die ihre Rezepte tauschen», sagt der 48-Jährige. So könne er immer wieder dazulernen – auch nach rund 30-jähriger Berufspraxis.  

Museum oder Selbstständigkeit
Wie kam Christian Schneiter zu diesem doch recht ungewöhnlichen Beruf – in der Schweiz gibt es bloss noch rund 20 ausgebildete Tierpräparatoren? «Schon als Achtjähriger habe ich mich sehr für Vögel interessiert», erzählt er. Als es nach der Schule um die Berufswahl ging, habe er nach einer Lösung gesucht, wie er seine Leidenschaft für Vögel mit einem Beruf verbinden könne. Und sich für die vierjährige Lehre als Tierpräparator entschieden, die er in Fribourg absolvierte.

Danach kehrte er in sein Heimatdorf zurück und es stellte sich die Frage: was nun, was tun? «Als Taxidermiste gibt es zwei Arbeitsmöglichkeiten: Entweder man findet eine Anstellung in einem Naturhistorischen Museum, oder man macht sich selbstständig.» Im Jura einen Job zu finden, war schwierig, denn die Museen sind zu klein, um eine Vollzeitstelle anzubieten. So entschied sich Schneiter für die Selbstständigkeit. In seinem Elternhaus im Dorfkern von Vicques richtete er sich ein Atelier ein, er fing auch bereits mit den ersten kleinen Ausstellungen an. Doch er brauchte mehr Platz. Nach fünf Jahren fand er ein altes Bauernhaus, das er zu seinem Wohnhaus und zur Arche de Noé umbaute.

Schneiters Atelier und Museum wurde schnell bekannt. Heute hat er Kundschaft aus der ganzen Schweiz, vorwiegend Privatpersonen, die ihre liebsten Tiere verewigen wollen. Oder Jäger, die ihre Trophäen zu Hause über dem Kamin präsentieren wollen. Manchmal erhält er auch Museumsaufträge oder arbeitet für Schulen. «Das jedoch heutzutage weniger. Der Computer hat viel kaputt gemacht. Die Schüler interessieren sich nur noch für die virtuelle Welt», so der Tierpräparator.  

Die Tierfelle oder Vogelgefieder für die Sammlung erhält Schneiter aus Zoologischen Gärten, Tierparks oder auch von Jägern, die bereits genügend Trophäen gesammelt haben. Den einheimischen Tieren muss er nicht nachrennen, Wildschweine, Rehe oder Gämsen hat er zur Genüge. Seltener sind da Exemplare wie der weisse Tiger, den er zurzeit im Atelier präpariert. Oder noch seltener der Löwe mit den Antilopenhörnern – wie bitte?!

Menschen mit Tierköpfen
Schneiter hat sich einen Spass daraus gemacht, Fantasiewesen zu kreieren. Zurzeit arbeitet er auf Hochtouren an seinen Manimals – menschlich-animalische Mischwesen – die demnächst zu bestaunen sein werden. «In jedem Menschen sehe ich auch ein Tier», erklärt der Tierpräparator. So hat er der mit weissem Hemd und Schlips bekleideten Schaufensterpuppe einen Haifischkopf aufgesetzt, der Gitarrist bekam einen Zebrakopf, der Saxofonist ein Hundehaupt.

Die Bestandteile dieser Mischwesen sollen aber nicht nur thematisch zusammenpassen, sie müssen auch äusserlich aufeinander abgestimmt sein. «Das ist gar nicht so einfach. Ein Kopf muss proportional zum Körper passen», erklärt der Künstler. «Ich kann ihn ja nicht einfach per Computerklick verkleinern.»

Schneiters Schaffen ist traditionelles, solides Handwerk. Angetrieben wird er durch seine Passion für Tiere. «Um die Tiere zu kennen, muss man mit ihnen leben», sagt er – ausgerechnet er, der von und mit über 3000 toten Tieren lebt. Ein paar lebendige gibt es aber auch bei Familie Schneiter. Nebst seiner Katze und Hund «Sony» dürfen beim Vogelliebhaber die gefiederten Freunde nicht fehlen: Er hält zwei Uhus, drei Bartkäuze und – sein spezieller Stolz – einen Andenkondor.

www.arche-noe.ch