Wie reagieren Tiere auf Musik? Studien darüber gibt es unzählige, etwa bei Nutztieren. So berichtete «Die Zeit» bereits 1999, dass keine wissenschaftlich harten Resultate dazu vorliegen, welche Musik besonders milchträchtig ist – egal, ob Mozart oder Ländler. Gewiss war laut des Berichts lediglich: «Auf Volksmusik standen die Rinder überhaupt nicht. Hörten sie «Herzilein» von den Wildecker Herzbuben, gaben sie 2,5 Prozent weniger Milch als am Kontrolltag.»

Auch der Musikgeschmack der Haustiere ist ein beliebtes Forschungsfeld. Ein Team unter der Leitung von Charles Snowdon von der University of Wisconsin untersuchte vor vier Jahren 47 Katzen auf ihren Musikgeschmack. Ihr Fazit: Wenn den Büsis Musik vorgespielt wurde, die speziell für sie komponiert wurde, reagierten sie auffällig. «Wir ahmen nicht die Geräusche nach, die Katzen von sich geben», zitierte das Fachblatt «Applied Animal Behaviour» dazu Snowdon vor vier Jahren. «Wir versuchen, Musik zu erzeugen, deren Tonhöhe und Rhythmus Katzen ansprechen». Noch weiter ging der amerikanische Kompionist und Cellist David Teiel. Er hat extra Musik für Katzen geschrieben: «Music for Cats», sein Album aus dem Jahr 2016, avancierte in Grossbritannien sogar zum Hit.  

Der perfekte Musikmix für Hunde
Doch auch für Hunde wird komponiert und Musik produziert, was das Zeug hält. Die Suche auf der Video-Plattform Youtube befördert unzählige Playlists zutage, wie diejenige mit dem umständlichen Namen «Reduce Anxiety and Help Dogs Sleep!»: ein 15-stündiger Hunde-Relax-Nonstopmix mit ruhigen, weichen Klängen. Einer, der auch den Puls des Tierhalters sinken lassen kann – und der im Selbstversuch bereits nach wenigen Minuten zu akutem Schlafbedürfnis führte.  

15-Stunden-Nonstop-Mix für den Hund: «Reduce Anxiety and Help Dogs Sleep!»

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Ein einträgliches Geschäft
Kein Wunder, will auch der schwedische Streaming-Gigant Spotify in diesem Markt mitmischen. Um dessen einträgliche Grösse wissend, hat er vor wenigen Wochen ein neues Angebot kreiert. Ab sofort können Tierhalter spezielle Playlists für ihre Lieblinge zusammenstellen. Mit grosser Kelle wurde in der Werbung angerührt, um die Erfindung publik zu machen.

Die «Pet Playlists» lehnen sich laut Spotify an Studien aus Grossbritannien an, die unter anderem zeigen, dass 74 Prozent der Hundebesitzer ihren Vierbeinern in Abwesenheit Musik vorspielen. Zur Beruhigung, heisst es, und damit sie sich nicht mehr alleine fühlen.

Zuerst heisst es: «Wähl dein Haustier!»
Voller Erwartung machte sich «Tierwelt Online» ans Werk, um das neue Feature zu testen. In Ermangelung eines Haustiers auf der Redaktion fiel die Wahl auf «Forrest Gump», das niedliche Plüsch-Känguru. Aber ganz so einfach geht es dann doch nicht.  

Die erste Hürde wartet bereits nach der Registrierung bei Spotify: «Wähl dein Haustier», heisst es da. Zur Auswahl stehen Katze, Hund, Hamster, Vogel – und Leguan. Doch ein Känguru? Fehlanzeige! Zugegeben, ist ja auch nicht gerade ein geläufiges Haustier. Nur, irgendwo muss es sich dazu gesellen, sonst lässt sich keine Playlist aufstellen. Am ehesten passt Forrest Gump noch zum Hamster, mit ihm ist es von den zur Wahl stehenden Säugetieren noch am nächsten verwandt. Der Hamster scheint am Bildschirm denn auch seine helle Freude an der Auswahl zu haben: Kaum angeklickt, beginnt er, sich munter im Kreis zu drehen.

Zeit, sich daran zu ergötzen, bleibt allerdings nicht. Den schon stellt Spotify weitere Fragen: Wie ist der Hamster – beziehungsweise das Känguru: ruhig oder energiegeladen? Der Entscheid fällt auf letzteres. Dann ist unser «Haustier» auch noch «scheu» und «neugierig». Zum Schluss will Spotify es sehen. Ein, zwei weitere Klicks, dann ziert Forrest Gumps Konterfei die Playlist. Erst jetzt erscheint das Feld «Playlist erstellen», das sich mit einem Klick aktivieren lässt.

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Welche Sounds sucht Spotify fürs Känguru?
Die Spannung steigt, während das System rechnet. Welche Klänge wird der Streamingriese vorschlagen, um für einen Wohlfühlklänge bei Forrest Gump zu sorgen? Den Sound tropischer Regenwälder? Oder das Flirren Busch- oder Grasländer, trockener Steppen- und Wüstenregionen?

Weit gefehlt! Unser Känguruh steht auf Exploited (Punk), die Film-Comedy-Rockband Leningrad Cowboys, David Bowie’s verschmähte Indie-Band Tin Machine und die derben Schweizer Black-Metaller Samael. Jedenfalls, wenn es nach Spotify geht. Einmal tief durchatmen: Nein, ein Känguru möchte man mit dieser Soundkulisse nicht quälen. Und auch nicht den Hamster, für den die Playlist ursprünglich gedacht war.

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«Was Mensch gefällt, gefällt auch seinem Haustier»
Auf die erste Ernüchterung folgt die zweite: Statt auf die Tiere zugeschnittene Klänge zu suchen hat Spotify einfach Musik aus bestehenden Playlists der «Tierwelt»-Redaktion zusammengezogen, sprich aus solchen, die sie schon vor Monaten erstellt hat. Nach dem Motto: Was Mensch gefällt, gefällt auch seinem Haustier.

Dem widerspricht eine Umfrage, über welche die «Frankfurter Allgemeine» Mitte Januar berichtete: Nur gerade die Hälfte der Befragten in einer Studie des Streamingsdienstes glaubten, dass ihr Tier den gleichen Musikgeschmack habe wie sie selber. Aus diesem Grunde habe sich Spotify dazu entschlossen, einen Algorithmus zu entwickeln, der tierspezifische Wiedergabelisten zusammenstellt, schreibt die «FAZ» weiter. Dass die Auswahl am Ende doch vor allem wieder dem Geschmack der Tierhalter gerecht wird, blendet die Werbebotschaft weitegehend aus.  

Egal, obs dem Tier gefällt
Doch offenbar ist das für viele Tierhalter nebensächlich. Vor allem, wenn sie ihre Lieblinge hin und wieder allein zuhause lassen müssen. Die neue «Tierplaylist»-Funktion von Spotify kommt ihnen gelegen, wie der «Weser-Kurier» im Januar berichtet: Dank der Musikzusammenstellung, die während der Abwesenheit von Herrschen und Frauchen auf sie einrieselt, würden sich die Tiere sicher und entspannt in ihrer heimischen Umgebung wissen.    

Übrigens: Gemäss einer Umfrage des schwedischen Streaming-Anbieters sind Klassik und Softrock die beliebtesten Genres bei Haustieren. Dass Spotify unserem Känguru hingegen ausschliesslich harte Klänge angeboten hat, kann nur zwei Gründe haben: Entweder funktioniert das Auswahlverfahren nicht, wie es sollte. Oder Spotify ist der Meinung, dass unser «Forrest Gump» kein richtiges Haustier ist und somit einen anderen Musikgeschmack hat.

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