Als deutsche Mönche im Mittelalter während der Fastenzeit nicht auf ihr Bier verzichten mochten, beschlossen sie, beim Papst um Erlaubnis zu fragen. Sie packten ein Fässchen Bier auf einen Esel und schickten eine Gesandtschaft auf die lange, beschwerliche Reise nach Rom. Viele Wochen später kamen das durchgeschüttelte Fässchen und die Bittsteller in der Ewigen Stadt an. Der Heilige Vater kostete und liess seinen unfehlbaren Ratschluss ergehen: Wenn die deutschen Mönche so etwas Ekliges trinken wollen, dann mögen sie es tun.

Die Anekdote mag vielleicht nicht den historischen Tatsachen entsprechen, dreierlei dokumentiert sie trotzdem: Erstens war Bierbrauen damals zwar kein klösterliches Monopol, aber die Mönche waren Meister der Braukunst. Zum Zweiten war Bier, im Gegensatz zu Wein, auch während der Fastenzeit zugelassen. Und schliesslich war Bier während Jahrhunderten ein Grundnahrungsmittel, und dazu ein relativ gesundes; immerhin war der Gerstensaft aufgekocht und damit keimfrei gemacht worden – ganz im Gegensatz zum Trinkwasser aus den Brunnen. 

Mit der Wasserqualität braucht sich Christian Stoiber nicht mehr herumzuschlagen. «Wir brauen heute nicht mehr wie einst», sagt der Braumeister der Kleinbrauerei im Restaurant «Altes Tramdepot» gleich neben dem Berner Bärengraben. Die Grundprinzipien sind zwar seit Jahrhunderten gleich geblieben: Ein Gemisch aus Malz und Wasser wird mit Hefe vergoren, wobei Alkohol entsteht. Doch vieles, was die Brauer von einst nach Gefühl machten, steuert heute ein Computer. 

Erfahrung, Gefühl und Geschmack
Damals war es zu einem guten Teil dem Zufall überlassen, wie ein Bier schmeckte. Ob die Maische etwas kürzer oder länger stand, ob sie etwas mehr oder weniger erhitzt wurde, veränderte den Charakter des Bieres. «Heute sind die Biere ähnlicher als früher», erklärt der Braumeister, der das Brauhandwerk bei der Paulaner Brauerei in München erlernt hat. Immerhin: Ganz so einheitlich wie die Biere aus den Grossbrauereien sind die Spezialitäten aus Kleinbrauereien wie dem «Alten Tramdepot» nicht. «Wir leben mit den kleinen Unterschieden», sagt Stoiber.

Als Menschen vor 10 000 Jahren begannen, Getreide zu kultivieren, dürfte es nicht lange gegangen sein, bis sie entdeckten, dass Getreidebrei anfängt zu gären, wenn man ihn stehen lässt – und dass man sich komisch fühlt, wenn man davon isst. Einige Forscher meinen sogar, Bier sei früher als Brot erfunden worden. Der Geschmack des Gebräus dürfte für heutige Gaumen allerdings kein grosser Genuss gewesen sein.

Vieles hat sich seitdem geändert, eines aber ist geblieben: Auch heute noch hat Bierbrauen viel mit Wissen und Erfahrung zu tun. Und damit, dass nur Zutaten erster Wahl in den Maischebottich gelangen. In Deutschland sorgt das deutsche Reinheitsgebot, das dieses Jahr sein 500-jähriges Bestehen feiert, für hohe Qualität. Es schreibt bis heute vor, dass Bier nur Wasser, Hopfen, Malz und Hefe enthalten darf. Es war wohl weltweit das erste Qualitätslabel für ein Lebensmittel. «Deshalb braue ich gern in der Schweiz, da ist man an keine so engen Vorgaben gebunden», meint Stoiber, der gerne mit verschiedenen Zutaten experimentiert. Immerhin weiss man sich auch nördlich des Rheins zu helfen. Honigbier etwa wird dort etwas kompliziert «Honigtrunk mit bierähnlicher Machart» genannt. 

Tüfteln mit Hopfen für das Aroma
Im Malzlager des «Alten Tramdepots» warten aktuell zwölf Malzsorten auf ihren Einsatz. «Das Malz gibt dem Bier Farbe und Charakter», erklärt Christian Stoiber. Meist besteht es aus Gerste, aber auch Weizen, Roggen oder Dinkel werden für die Bierherstellung vermälzt. Um Malz herzustellen, lässt man das Getreide keimen, dann wird es geröstet. Für helle Malzsorten, wie sie etwa für Pils verwendet werden, geschieht dies bei etwa 80 Grad; dunkle Biere entstehen aus Malz, das bei bis zu 200 Grad geröstet wurde. 

Aus dem Maischebottich quillt dichter, malzig duftender Dampf, als der Braumeister den Deckel aufklappt. Um sechs Uhr morgens hat er begonnen, 1000 Liter Wasser mit 300 Kilogramm Malz zu erhitzen; nun rührt er zum wiederholten Mal im Bottich. Es ist ein langwieriger Prozess, bei dem die Temperatur der Maische nach und nach bis auf 80 Grad erhöht wird. Mehrfach wird der Vorgang des Erhitzens unterbrochen. Das gebe dem Bier den Schliff, sagt Stoiber.

Im Läuterbottich nebenan setzt sich der Treber, also die Überreste des Malzes, ab. Darüber liegt die klare Flüssigkeit, die zum Bier werden soll, jetzt aber noch Würze genannt wird. Diese kocht der Brauer nun zusammen mit dem Hopfen – genauer: mit den weiblichen Blüten der Hopfenpflanze. Stoiber unterscheidet verschiedene Qualitäten und Sorten. «Je nach Aroma, das ich erreichen will, nehme ich unterschiedliche Sorten in unterschiedlicher Menge und lasse sie unterschiedlich lange ziehen.» 

Nun wird die Würze auf die optimale Gärtemperatur gekühlt und die Gärhefe dazugegeben. Brauer unterscheiden zwischen ober- und untergärigen Hefen. Obergärige Hefen, die unter anderem für Weizenbiere, Kölsch oder Altbiere verwendet werden, schwimmen beim Gärprozess obenauf und brauchen eine Gärtemperatur von 16 bis 20 Grad. Aus untergärigen Hefen werden etwa Pils, Oktoberfest- oder Lagerbier hergestellt. Diese Hefen gären am Boden des Gärtanks und tun ihre Arbeit bei 8 bis 12 Grad.

Vergären nach Zufall
Auch bei der Gärung unterscheidet sich heutige Braukunst von früherer. Auf Brauhefen ist heute Verlass. Sie werden in Reinkultur gezüchtet, sodass Fehlgärungen kaum mehr vorkommen. Im 19. Jahrhundert wurde entdeckt, was Hefe eigentlich ist: winzige Pilze. Damit war die Grundlage gelegt für deren Zucht. Davor wurde Hefe eines Braugangs verwendet, um die Gärung des nächsten zu starten. Es kam öfter zu Fehlgärungen durch wilde Hefepilze, die das Bier besiedelten – und damit zu saurem Bier. Dann war buchstäblich Hopfen und Malz verloren.

Im «Alten Tramdepot» gärt das Bier nun rund fünf Wochen bei null Grad im Gärtank. Dabei wandeln die Hefepilze den Zucker in Alkohol und Kohlensäure um. Dann wird das junge Bier abgefüllt, teils in die Ausschank­tanks, teils in Partyfässer, die über die Gasse verkauft werden. 

Früher wurde das Bier in Bierkellern gelagert, in Kellergeschossen weit unter der Erdoberfläche, aber auch in natürlichen Höhlen oder künstlichen Stollen. Hier wurde das Bier mit Eis gekühlt, das im Winter aus Seen und Flüssen gewonnen wurde. In den Bierkellern hielt sich das Eis lange und war dabei nicht nur der Lagerung des Biers förderlich, sondern sorgte auch dafür, dass der Gerstensaft frisch in die Krüge und die durstigen Kehlen floss. Und mindestens hier hat sich nichts verändert: Für viele ist Bier noch immer das köstlichste Getränk überhaupt.