Ronan ist fünf und genau im Takt. Bei «Boogie Wonderland» von Earth, Wind & Fire wippt sie mit dem Kopf genau im richtigen Moment und auch beim Wechsel zu den Backstreet Boys bleibt sie im Rhythmus. Nichts besonderes? Ist es doch, denn Ronan ist ein Seelöwe.

Das Weibchen hat die bisherigen Theorien der Wissenschaftler auf den Kopf gestellt und eine Gewissheit erschüttert: Ganz offensichtlich ist der Mensch doch nicht das einzige Säugetier, das Taktgefühl hat. Bisher wusste man schon von einigen Vögeln, dass sie mit der Musik mit dem Kopf nicken oder mit den Füssen trampeln können. «Snowball», ein Gelbhaubenkakadu, brachte es zu Internetberühmtheit, weil der weisse Vogel richtig zu tanzen schien. Auch bei anderen Vögeln haben Wissenschaftler diese Fähigkeit beobachtet.

Weil alles Tiere mit der Fähigkeit zur Nachahmung von Lauten wie der menschlichen Sprache waren, sahen die Forscher das als Voraussetzung an. Doch Seelöwen können das nicht, ja sie haben sogar nur eine geringe Bandbreite bei den Lauten, die sie von sich geben können.

In Kalifornien gestrandet
Von Ronan war zuerst nur klar, dass sie nicht gerade für das Leben in der Wildnis gemacht schien. Dreimal strandete sie in Kalifornien, das dritte Mal 2009 auf einem Highway zwischen Los Angeles und San Francisco. Peter Cook nahm sich des Tieres an und sah es als ideale Probandin für seine Studien über das Rhythmusverhalten von Tieren.  

«Ich habe ziemlich schnell gemerkt, dass sie ein aussergewöhnlich aufgeweckter Seelöwe ist», sagt der Meeresbiologe von der University of California in Santa Cruz. «Einem Säugetier Rhythmus beizubringen schien eine sehr schwierige Aufgabe, aber Ronan dafür die perfekte Kandidatin.»

Jahre dauerte es, in der das Weibchen erst rhythmische Laute, später Musik zu hören und nach getaner Arbeit stets einen Fisch bekam. Das Video des im Takt der Musik mit dem Kopf wippenden Seelöwen begeisterte dann im vergangenen Jahr Millionen Internetnutzer und verblüffte Experten. Jetzt stellte Cook seine Erkenntnisse beim Jahrestreffen des weltgrössten Wissenschaftsverbands AAAS in Chicago vor.

Auch bei unbekannten Liedern
«Ihre Fähigkeit, verschiedene Takte zu erkennen, ist beeindruckend», schwärmt er. Zu schnelleren Musikstücken nickt Ronan schneller, zu langsameren weniger schnell. Cook versichert, dass das Tier auch bei ihr völlig unbekannten Titeln den Takt erkennt und mitmacht. «Wir müssen annehmen, dass der neuronale Mechanismus zum Erkennen unterschiedlicher Takte im Tierreich deutlich weiter verbreitet ist als wir dachten.»

Nach Meinung des Biologen hatte Ronan nicht einmal besondere Schwierigkeiten, den Takt zu erkennen und wiederzugeben. «Sie musste eigentlich nur lernen, was wir von ihr wollten.»

Noch vor einigen Jahren sprach man Tieren solche Fähigkeiten generell ab. Dann weichten die Papageien diese falsche Gewissheit auf – und nun ist es erstmals ein Säugetier. «Es scheint so», sagt Cook, «als hätten wir Menschen einfach nicht richtig hingeschaut».

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