Seine Thesen lassen aufhorchen: Bäume sind soziale Wesen, die Nachbarschaftshilfe grossschreiben; Mutterbäume päppeln ihre Kinderbäume auf und Bäume haben grundsätzlich Empfindungen. Peter Wohlleben nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, das Thema Wald offensiv in die Öffentlichkeit zu rücken. Viele bewundern ihn dafür, doch es gibt auch kritische Stimmen, die dem deutschen Förster unterstellen, mit haltlosen Mutmassungen um sich zu werfen.

Der häufigste Vorwurf ist jedoch jener der Vermenschlichung. Der 55-Jährige, der mit seinem Buch «Das geheime Leben der Bäume» 2015 quasi über Nacht zum gefeierten Bestsellerautor aufstieg, nimmt solche Missbilligungen gelassen entgegen. «Ich spreche nun einmal nicht die Sprache der Bäume. Deshalb muss ich mich der menschlichen Sprache bedienen», sagt er lächelnd in der gleichnamigen Kinoverfilmung seines weltweit erfolgreichen Buches. Die Dokumentation folgt Wohlleben auf Schritt und Tritt. Sie zeigt, wie er mit Waldführungen und Lesungen den Menschen die aussergewöhnliche Lebensweise der Bäume näherzubringen versucht.

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Dafür scheut der Naturschützer keinen Aufwand. Er reist beispielsweise nach Schweden zum ältesten Baum der Erde, tauscht sich mit Gleichgesinnten in Polen aus und besucht Forstbetriebe in Vancouver, die einen neuen Ansatz im Umgang mit dem Wald suchen. Auch politisch hält sich Wohlleben nicht zurück. So schlägt er sich auf die Seite der Demonstranten im Hambacher Forst, der zu grossen Teilen für den Braunkohle-Tagebau abgeholzt werden sollte. Denn eines steht für ihn fest: Die Menschheit kann nur überleben, wenn es dem Wald gut geht.

Damit diese Botschaft eine möglichst breite Masse erreicht, bedient sich Wohlleben sowohl im Buch als auch im Film einer emotionalen Sprache und verwendet zahlreiche Metaphern. Er betont, dass Bäume zählen, sich erinnern und Wissen weiterreichen können. «Bäume sind fühlende Wesen – und warum auch nicht? Mit dem Bauch haben wir das schon immer gewusst.»

«Wer Bäume pflanzt, ist doof»
Unterstützung beim Rühren der Werbetrommel für den Wald erhält der Förster von spektakulären Naturaufnahmen, die beispielsweise in Zeitraffersequenzen die langsamen Entwicklungsprozesse eines Baumes anschaulich vor Augen führen. Für sie zeichnet der vielfach prämierte Dokumentarfilmer Jan Haft verantwortlich. Er stand bereits bei den vielbeachteten Werken «Das grüne Wunder», «Die Wiese» oder «Magie der Moore» hinter der Kamera und serviert einmal mehr visuelle Leckerbissen.

Dennoch steht und fällt der Film mit seinem Protagonisten. «Peter Wohlleben ist der Jürgen Klopp des Waldes», findet der Produzent von «Das geheime Leben der Bäume», Friederich Oetker. Der Vergleich mit dem unkonventionellen Fussballtrainer ist nicht aus der Luft gegriffen. Auch Wohlleben zieht einen mit seiner eloquenten, nahbaren Art in den Bann und regt mit provokativen Aussagen zum Nachdenken an. Etwa, wenn er gemütsmühlenartig wiederholt, dass der Wald sich selbst regeneriert und «es deshalb doof ist, Bäume zu pflanzen».

Trotz grossem Unterhaltungswert und dem vermittelten, teilweise erstaunlichen Wissen fehlt es der Verfilmung an analytischer Tiefe. Dennoch verlässt man den Kinosaal mit einem guten Gefühl. Einem Gefühl, dass es noch nicht zu spät ist, in Zeiten des Klimawandels etwas zum Positiven zu verändern. Die Sympathisierung mit Bäumen wäre dafür ein vielversprechender Anfang.

«Das geheime Leben der Bäume», Natur­dokumentation, 96 Minuten, Verleih: Praesens-Film AG, ab sofort im Kino.