Eine Castingshow – wer will so etwas heute noch sehen?! Dieser Gedanke ging nicht nur dem Redaktor durch den Kopf, sondern auch dem Kumpel von Buster Moon. Moon, seines Zeichens Koalabär und Direktor eines serbelnden Theaters, scheint nicht zu wissen, dass sich die Zeit der Gesangswettbewerbe dem Ende zuneigt und genauso wenig scheint es das Illumination-Filmstudio zu wissen, das den neuen Animationsfilm «Sing» auf die Leinwand bringt. 

Mutig also es zu versuchen, und um Mut dreht sich auch viel im Film. Den braucht es schliesslich, um vor Publikum seine Gesangskünste vorzuführen. Der Anreiz von Ruhm und Preisgeld ist aber gross genug, um scharenweise Tiere aller Art auf die Bühne zu locken – ganz wie im echten (TV-)Leben. Und genauso wie in den Fernsehshows ist der Unterhaltungsfaktor auch bei «Sing» dann am allerhöchsten, wenn die «Leider-Nein»-Kandidaten ihr Bestes geben. 

An dieses frühe Lacherfeuerwerk kommt der Film später nicht mehr heran, aber das macht nichts; stattdessen gelingt ihm ein Spannungsbogen, der den Zuschauer langsam, aber stetig, ans vorhersehbare Schlussbouquet heranführt – das grosse Konzert. 

Die Hauptfiguren des Films sind neben dem Theaterdirektor fünf tierische Talente: die saxofonspielende Jazz-Maus, die Schweinemutter, die zu Hause mit ihren 25 Ferkeln schon genug zu tun hat, das pubertierende Punk-Stachelschwein, der Gorillabub aus krimineller Familie und das schüchterne Elefantenmädchen. Das ist viel Personal, funktioniert aber: Zwar bleibt nicht viel Platz für Charakterentwicklung, aber man schliesst die bunte Truppe schnell ins Herz. Nicht zuletzt, weil die Tierarten so gewählt sind, dass ihre jeweiligen Eigenschaften stimmig sind.

Kein Kultfilm
Für ein Quasi-Musical, das muss als Kritikpunkt erwähnt sein, ist die Song-Auswahl im Film nicht optimal. Die Protagonisten singen immer wieder dieselben Hits, die sind zwar peppig, aber eben nicht extra für den Film geschrieben. So verpassen die Macher ihre Chance, einen Kult-Streifen zu produzieren, wie das vor drei Jahren etwa «Die Eiskönigin» geschafft hat. In den Schweizer Weihnachtsstuben werden keine Lieder aus «Sing» zu hören sein. Überhaupt stellt sich die Frage, weshalb sich die Macher ausgerechnet die Vorweihnachtszeit ausgesucht haben, um ihren Film herauszubringen, hat er doch überhaupt nichts winterlich-festliches an sich.

Nichtsdestotrotz: Der eingangs erwähnte Mut, den die Produzenten in den Film stecken, wird belohnt: Auch ohne Weihnachtsstimmung und Nachsing-Lieder hat «Sing» das Zeug zum diesjährigen Winterkracher an den Kinokassen. Er trifft die richtige Mischung aus Humor und Handlung. Und die Hauptfiguren werden zwar kaum als Stofftiere zum Renner werden, sind aber durchaus liebenswert. Theaterdirektor Buster Moon könnte Recht behalten mit seiner Antwort auf die Frage, wer denn heute noch eine Castingshow sehen will: Er sagte schlicht: «Alle!»

«Sing», Animationsfilm, 108 Minuten, Studio: Illumination, ab heute im Kino.

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