Der Fuchs versteckt sich nicht mehr in Wäldern, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen, sondern taucht immer öfter in unseren Städten auf. Er bricht nicht mehr nachts in Hühnerställe ein oder holt sich Gänse, wie im berühmten Lied «Fuchs, du hast die Gans gestohlen», sondern wühlt am helllichten Tag in Mülltonnen. Die BBC-Serie «Als die Tiere den Wald verliessen» zeigt kindgerecht, wie und wo er neue Schutz- und Siedlungsräume findet.

Anders als die grossen Raubtiere Wolf und Bär ist der listige, anpassungsfähige Opportunist in freier Wildbahn noch nicht ausgerottet, aber dafür ist sein Ruf ruiniert. In Fabeln und Märchen war der Fuchs von jeher der verschlagene Räuber, der sich durch seinen Hochmut manchmal selbst besiegte. In der christlichen Mythologie steht er für Bosheit, Rachsucht und Sünde. Im alten China wurden Männer oft von Femmes fatales in der Gestalt von Fuchsdämonen verführt; auch ein Rockstar wie Jimi Hendrix wusste ein Lied von der «Foxy Lady» zu singen. Dass Smirre in Nils Holgerssons Abenteuern schlecht wegkommt, liegt auf der Hand: Wer auf dem Rücken von Wildgänsen fliegt, kann keine Geflügelmörder brauchen.

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 Eine Illustration für Goethes Versepos «Reineke Fuchs».
 Bild: Wilhelm von Kaulbach (1846)

 

Der übelste aller Füchse ist zweifellos Reineke Fuchs. Schon im 12. Jahrhundert als Kritiker der höfischen Gesellschaft besungen, wurde er 1498 durch das plattdeutsche Volksbuch «Reinke de Vos» in ganz Europa populär. 1794 widmete sogar Goethe dem Erzs­trolch ein satirisches Versepos mit viertausend Hexametern: Von Meister Lampe, Kater Hinze, Isegrim und anderen Duckmäuser-Tieren als Dieb, Vergewaltiger und Mörder angeklagt, kann Reineke seinen Kopf immer wieder mit List und Tücke aus der Schlinge ziehen. Zuletzt besiegt er sogar den Wolf im Zweikampf, indem er seinen körperlich überlegenen Gegner mit Urin blendet und ihm mit der Pfote ins Gemächt kneift. Der unritterliche Griff unter die Gürtellinie zöge im Fussball eine Rote Karte nach sich; bei Goethe wird der unfaire Trickser vom Löwenkönig zum Kanzler ernannt.

Fix und Foxi machen fuchsteufelswild
Frechheit siegt, und so springt der Fuchs in der neueren Populärmythologie seinen Jägern immer wieder von der Schippe und erteilt den Menschen Lektionen. In Walt Disneys «Robin Hood» ist er der edle Räuber, der den Armen gibt, was er den Reichen nimmt. In Roald Dahls Kinderbuch «Der fantastische Mr. Fox» (1970) trotzt er nicht nur Baggern, Gift und Kugeln, sondern schmiedet zusammen mit Dachs, Hase und Wiesel eine Allianz der Underdogs gegen die Peiniger, die ihnen auf den Pelz rücken. Auch in Leos Janáceks Oper entkommt «Das schlaue Füchslein» lange seinen Häschern, aber am Ende geht es ihnen doch in die Falle.

Der Hund in seiner Eigenschaft als Wach- und Jagdhund ist der natürliche Feind des Fuchses, aber es gibt auch Beispiele von Solidarität und Freundschaft, etwa in Daniel P. Mannix’ Roman «Fuchsspur» und dem darauf basierenden Disney-Film «Cap und Capper». Rolf Kaukas Comic-Figuren Fix und Foxi sind zwar auch Füchse, aber so unerträglich brav und pädagogisch wertvoll, dass selbst ihr Gegenspieler, der hündische Loser Lupo, manchmal fuchsteufelswild wird. Herr Fuchs, eine Figur aus dem DDR-Sandmännchen, wurde vor allem durch Flüche wie «Kuckucksei und Wiedehopf!» ein Liebling der Kinder.

Heute sind die Füchse vor allem Opfer. Jäger und Fallensteller, Pelzindustrie und Naturfrevler: Alle wollen ihnen das Fell über die Ohren ziehen. In Romanen und Kinderbüchern wie «Der Fuchs von Belstone» oder «Keine Gnade für Füchse» entkommen die Schlaufüchse ihren Häschern meist; in Computerspielen wie «Foxx fights back» oder «Starfox» schlagen die modernen Reinekes sogar zurück. Aber trotz oder wegen ihres Listenreichtums haben sich viele Füchse doch den Schneid abkaufen lassen: Werbefiguren und Maskottchen wie der sogenannte Sparfuchs rauben keine Hühnerställe oder gar Banken aus, sondern stehen als Anlageberater in Diensten des Finanzkapitals.