Ob im Buch, im Kino oder im Fernsehen: Damit Geschichten spannend werden, braucht es den Gegensatz zwischen Guten und Bösen. Wenn Tiere mitspielen, verkörpern sie oft die gute Seite. Hunde sind grosse Publikumslieblinge. Als Collie-Besitzer weiss ich Bescheid: Kaum ein Spaziergang, auf dem mein Hund nicht mit «Hallo Lassie!» begrüsst wird. Die brave Filmhündin («Lassie» bedeutet in der schottischen Umgangssprache «Mädchen») geniesst höchstes Ansehen und gilt als äusserst klug, klüger als jeder echte Hund. Auch Rin Tin Tin (siehe «Tierwelt» Nr. 6/2015), der Bernhardiner Beethoven oder Kommissar Rex haben viele Bewunderer. Das färbt dann auf die echten Tiere ab.

Eindeutig auf der sympathischen Seite stehen auch das Pferd (Fury), der Delfin (Flipper) oder der Pinguin (Pingu). Für Sympathie für eine dem Publikum sonst wenig vertraute Tierart sorgte das «Schweinchen namens Babe». Der Frosch Kermit verschaffte einer unbeachteten Tierart Popularität. Erstaunlicherweise kann auch die Ratte, die im wirklichen Leben nicht zu jedermanns Liebling gehört, eine Kinokarriere machen, wie der kochende Rémy im Film «Ratatouille».

Mäuse gelten an sich ebenfalls als Schädlinge, doch Micky Maus ist wohl neben Lassie das bekannteste Filmtier überhaupt. Walt Disney hat eine ganze Tierwelt entworfen. Sie wird von Charakteren bewohnt, hinter denen leicht Menschentypen zu erkennen sind: Der cholerische Dauerversager Donald Duck, der ewige Glückspilz Gustav Gans, der genial-verrückte Daniel Düsentrieb und erst recht der superreiche Onkel Dagobert, Musterbeispiel eines Grosskapitalisten.

Trickfilme, Serien und Dokumentarfilme
Trickfilmtiere sind eher Karikaturen von Menschen als von Tieren. Wobei die Tiere ihrem menschlichen Gegenüber an Schlagfertigkeit und Cleverness oft überlegen sind. Shaun, das Schaf, ist so ein Fall, aber auch das sprechende Pferd Mister Ed mit seinen frechen Sprüchen sowie, wenn man ihn zur Tierwelt rechnet, der Ausserirdische Alf. Menschliche Untugenden zeigen die überdrehten Lapins crétins, die es als Figuren aus einem Computerspiel als Trickserie ins Fernsehen geschafft haben. Kaninchen sind sonst eher selten zu Stars geworden, obwohl Walt Disney mit dem Kaninchen Oswald seine Laufbahn startete. Erfolg hatte er dann mit dem kleinen Elefanten Dumbo oder dem niedlichen Bambi.

Nicht nur im Trickfilm begegnen uns sympathische Tiere, auch in Naturfilmen sehen wir sie gerne, ob auf Grossleinwand oder auf dem kleinen Bildschirm. Schmetterlinge, Wildgänse oder Wale zum Beispiel. Aber in diesem Film-Genre spielen auch angebliche Bösewichte mit: Wölfe oder Raubvögel etwa. Der Löwe, der als «König der Löwen» ganz freundlich sein kann, entpuppt sich nun als hungrige Raubkatze, die eine Gazelle zerfleischt. Die Geschichte von Bambi hat ebenfalls einen bösen Anfang, als das Muttertier des Hirschkitzes geschossen wird.

Reportagen über Tiere gehören beim Fernsehen zum Grundstock des Programms. Der Frankfurter Zoodirektor Bernhard Grzimek war der erste Star. Er präsentierte von 1956 bis 1980 etwa 175 Folgen seiner Sendung «Ein Platz für Tiere», die äusserst beliebt war. Sein Dokumentarfilm «Serengeti darf nicht sterben» gewann sogar einen Oscar. Auch heute hat fast jeder Fernsehkanal sein Tiermagazin, berichtet von wild lebenden Tieren ebenso wie aus dem Alltag einer Tierärztin oder gibt Tipps für den Umgang mit schwer erziehbaren Hunden. Auch wenn das Publikumsinteresse in jüngster Zeit etwas nachzulassen scheint, finden Tierthemen immer Anklang. Ein spezielles Kapitel sind Berichte über Tierquälerei, die verständlicherweise Emotionen wecken, geht es doch meist um das Mitleid mit einem sympathischen Lebewesen.

Animationen verdrängen echte Filmtiere
Wenn Tiere im Film mitspielen, steht dahinter jeweils eine Tierlehrerin oder ein Tierlehrer. Es sind viel Können und viel Geduld nötig, damit die Tiere vor der Kamera das machen, was im Drehbuch steht. Bei den Dreharbeiten zu «Gladiator» brachten die Löwen in der römischen Arena die Filmequipe fast zur Verzweiflung, weil sie faul herumgähnten, statt wie verlangt böse Miene zum guten Spiel zu machen.

Nach der Bearbeitung der Bilder am Computer zeigten sie sich dann wie gewünscht furchterregend. Denn die Trainer haben Konkurrenz bekommen: Tierszenen können mit Computerprogrammen perfekt künstlich hergestellt werde, etwa der Tiger in «Life of Pi». Die Nachfrage nach Filmtieren, vor allem auch für Werbefilme, sinkt deshalb. Der «Los Angeles Times» erklärte ein Vertreter des Branchenverbandes, die Aufträge seien innert zehn Jahren auf die Hälfte geschrumpft.

Die Grenze der Sympathie wird scharf, aber nicht immer vernünftig gezogen. Der Delfin etwa geniesst allgemeine Zuneigung. Der Hai dagegen fast ebenso allgemeine Verachtung. Der «Weisse Hai» lockte das Publikum vor die Leinwand – die Geschichte vom hinterrücks angreifenden Bösewicht hat dabei mit der Wirklichkeit so wenig zu tun wie die Geschichten vom superschlauen Flipper. Der Hai, von dem einige Arten kurz vor der Ausrottung stehen, ist nicht das einzige Tier, das unfairerweise als Schädling verschrien und quasi zum Abschuss freigegeben wird. Im Hitchcock-Thriller «Die Vögel» belagern wütende Vögel die Menschen, als wären diese im Käfig eingesperrt und nicht umgekehrt. Rieseninsekten, zum Beispiel Ameisen, Spinnen, Bienen, oder die gefürchteten Piranhas verbreiten in Horrorfilmen Angst und Schrecken.

Auch fantastische Tiere lehren das Publikum zuweilen das Gruseln: Mal verwandelt sich ein Forscher bei einem misslungenen Experiment in eine ekelhafte Fliege, mal verspeisen Riesenwürmer ein halbes Dorf. Die Schlange, die seit dem Zwischenfall mit Adam und Eva einen schlechten Ruf hat, wird diesen selbst in Trickfilmen wie dem Dschungelbuch nicht los. King Kong, Moby Dick oder die Dinosaurier aus «Jurassic Park» müssen ebenso unverdient als Verkörperung des Bösen herhalten.

Menschenfressende Krokodile und giftige Schlangen gibt es. Doch auch die gemütlichen Bären und die patschigen Flusspferde töten immer wieder unvorsichtige Menschen. Dass Krokodile gefährlich sind, lernen wir schon vom Kasperlitheater, während wir mit Winnie Puuh oder Paddington als liebe Bären kuscheln. Dichter, Zeichner, Film- und Fernsehmacher meinen es nicht mit allen Tieren gleich gut. Dass Hai, Wolf oder Kreuzotter geschützt werden müssen, leuchtet nicht leicht ein, wenn man sie nur als Bestien vom Bildschirm kennt. Man sollte dramatische spektakuläre Storys nicht mit der Wirklichkeit verwechseln.

Das weltweit wirklich gefährlichste Tier übrigens ist die Stechmücke. Durch die Krankheiten, die sie verbreitet, tötet sie Tausende. Aber sie sieht halt nicht so aus.

Hier können Sie die Trailer zu einigen der erwähnten Filme schauen:
Ein Schweinchen namens Babe
Ratatouille
Life of Pi
Der weisse Hai
Die Vögel