Sauniggel
Ganz oben auf der Schimpf-Skala rangiert seit jeher das Wort «Sau» in den verschiedensten derben Abwandlungen. Aber was ist eigentlich ein «Sauniggel», wie man gern schmutzige oder gar unmoralische Menschen nennt? Diese Bezeichnung hat nichts mit den grunzenden, im Schlamm wälzenden Haustieren zu tun, sondern mit unseren stacheligen Gartenbewohnern. Aufgrund eines Irrglaubens aus dem 17. Jahrhundert dachte man nämlich, heimische Igel aufgrund ihrer Kopfform in Hunds- und Schweinsigel unterscheiden zu müssen. Heute weiss man längst, dass der Kopf des Europäischen Braunbrustigels sowohl rundlich-kurz als auch länglich aussehen kann – je nach Gemütsverfassung und ob die Stacheln aufgestellt oder angelegt sind. Geblieben ist aber bis heute der vielsagende Name für ein Tier, das auf seinen nächtlichen Streifzügen ungeniert schmatzend den Abfall durchwühlt. Auf gut Schweizerdeutsch also: richtig «sauniggelt».

Vielfrass
Ähnlich zutreffend ist der menschliche Vergleich bei einem Raubtier, das vor allem auf der nördlichen Welthalbkugel von Skandinavien über Taiga und Tundra bis nach Alaska und Kanada beheimatet ist: der Vielfrass. Und sein Speiseplan ist in der Tat beeindruckend. Er reicht von Elch- und Rentierkälbern über Hasen und Mäuse bis zu Vogeleiern und Beeren. Und in der warmen Jahreszeit stürzt sich der grimmige Einzelgänger sogar mit Vorliebe auf Aas und scheut auch nicht davor zurück, Beutereste von anderen Raubtieren zu verschlingen. Wen wundert bei einem solchen Appetit schon der treffende Name und der naheliegende Vergleich mit Personen, die ähnlichen Essgewohnheiten frönen?

Rabeneltern
Bei aller menschlichen Beobachtungsgabe, manchmal täuscht auch der Eindruck. Wenn Rabenkinder unbeholfen und wehrlos am Boden durch die Gegend hüpfen, könnte man meinen, dass die armen Jungvögel von ihren Eltern völlig im Stich gelassen werden. Dabei ist das Gegenteil der Fall: «Rabenmütter» und «Rabenväter» bleiben noch mehrere Wochen in der Nähe des Nachwuchses, nachdem dieser bereits das Nest verlassen hat und erste Geh- und Flatterversuche unternimmt. Mehr noch: Sie versorgen ihre Kinder noch regelmässig mit Futter und warnen oder schützen sie sogar, wenn sich Feinde nähern.

Hamsterbacke
Es ist nicht gerade nett, jemand als «Hamsterbacke» zu bezeichnen. Entweder will man damit auf das nicht vorteilhafte, fettleibige Äus- sere eines Menschen hinweisen oder auf dessen Verhalten, nie genug bekommen zu können. Als tierisches Vorbild dient eine körperliche Besonderheit des wilden Feldhamsters: Der gerade einmal 30 Zentimeter grosse Nager kann in seinen dehnbaren Backen nämlich bis zu 70 Erbsen gleichzeitig tragen. Nicht etwa aus Gier oder Fresssucht, sondern weil der Hamster nur so genügend Nahrungsvorräte für den langen Winterschlaf in den unterirdischen Bau schaffen kann. Übrigens beherrschen auch zahme Goldhamster diese Technik noch – allerdings ganz ohne Winterschlaf.

Rohrspatz
Wer häufig laut über andere schimpft, wird gern «Rohrspatz» genannt. Namenspatron für diese wenig schmeichelhafte Bezeichnung ist ein vor allem im Schilf lebender Vogel: die Rohrammer, umgangssprachlich auch als Rohrspatz bekannt. Die schrillen, ausdauernden Rufe der Männchen erinnern tatsächlich mit etwas Fantasie an Menschen, die sich ständig unflätig über andere äussern. Dabei hat der Rohrspatz-Gesang in der Vogelwelt eine ganz andere Bedeutung: Wenn der eher unscheinbare Sänger an der Spitze eines Schilfhalms sitzend seine Stimme erklingen lässt, dann vor allem, um Weibchen anzulocken. Und um andere Männchen «freundlich» darauf hinzuweisen, wo die Reviergrenzen verlaufen.

Angsthase
Auch Meister Lampe muss als «Angsthase» oder «Hasenfuss» als Schimpfwort herhalten, obwohl er eigentlich recht tapfer und mutig durchs Leben hoppelt. Irreführend und namensgebend ist bei ihm wohl sein Verhalten, wenn er mit weit aufgerissenen Augen und flach an den Körper angelegten Ohren regungslos in einer Erdmulde verharrt. Statt seine eisernen Nerven zu rühmen, derart gut getarnt Feinde bis auf wenige Meter herankommen zu lassen, entsteht so das Bild eines Feiglings, der sich – im wahrsten Sinne des Wortes – vor Auseinandersetzungen drückt. Stimmt aber nicht immer: Ausgewachsene Hasen treten mitunter sogar ausgesprochen wehrhaft auf, wenn ihnen etwa ein Fuchs begegnet: Sie stellen sich auf die Hinterbeine und machen Reineke schon von Weitem klar, dass er sich besser eine leichtere Beute suchen soll.

Mondkalb
Die «blöde Kuh», das «Rindvieh» oder der «Hornochse» sind den meisten geläufig und kommen einem recht häufig über die Lippen. Wer aber jemanden als «Mondkalb» bezeichnet, erntet erstaunte Reaktionen. Das «Mondkalb» als Schimpfwort steht für einen dummen, besonders einfältigen Menschen. Sein Ursprung geht auf missgebildete Kälber zurück, für die man früher häufig den schädlichen Einfluss des Mondes verantwortlich machte. Die abwertende Bezeichnung kam sogar im 17. Jahrhundert bei keinem geringeren als William Shakespeare in dem Drama «Der Sturm» zu Ehren oder wurde vor über 100 Jahren vom deutschen Dichter Christian Morgenstern in seinen «Galgenliedern» verwendet.

Zimtziege
Kaum ein Streit oder eine hitzige Diskussion, in der nicht irgendwann das Wort «Ziege» fällt. Aus der moderneren Version «Zicke» haben sich zudem Ausdrücke wie «Zickenalarm» oder «Zickenkrieg» entwickelt, die es seit 2006 ganz offiziell in den Duden geschafft haben. Der Vergleich mit den felligen Stallbewohnern liegt auf der Hand: Das ständige, scheinbar grundlose «Meckern» der Ziegen gepaart mit ihrem Eigensinn erinnert offenbar an manch artverwandte Verhaltensweise bei Frauen. Die etwas seltenere Bezeichnung «Zimtziege» hat noch eine zusätzliche Note. Sie beschreibt eine heikle, schnell beleidigte Dame. Das Wort «Zimt» kommt dabei aber nicht vom Gewürz, sondern bedeutete früher so viel wie «Kram» oder «wertloser Plunder». «Zimt machen» hatte daher die Bedeutung von unnötig Umstände machen.

Faultier
Eins zu eins der Natur abgeschaut und damit vollkommen zu Recht Pate für das gleichlautende Schimpfwort, ist das «Faultier»: Das in Mittel- und Südamerika auf Bäumen lebende Tier schläft bis zu 20 Stunden am Tag und bewegt sich auch den restlichen Tag wie in Zeitlupe. Es erreicht dabei eine Höchstgeschwindigkeit von unglaublichen vier Metern pro Minute! Und nur einmal in ein bis zwei Wochen steigt ein Faultier auch vom Baum, um seine Notdurft zu verrichten. Schliesslich zählt auch das Verdauungssystem des schläfrigen Säugetieres, das sich vorwiegend von Blättern und Insekten ernährt, zu den langsamsten im Tierreich.

Schnapsdrossel
Zu guter Letzt soll noch von einem Vogel die Rede sein, der völlig zu Unrecht in Verruf geraten ist: die Drossel. Als «Schnapsdrossel» steht sie bis heute für Menschen, die gern hochprozentig über den Durst trinken. Dabei vergreifen sich die zarten Singvögel höchstens an Beeren, wenn diese noch unvergoren an den Ästen hängen. Die Bezeichnung «Drossel» hat nämlich nichts mit dem gefiederten Tier zu tun, sondern nur mit dem gleichnamigen Wort für Kehle oder Gurgel.