Es mag einer der eigentümlichsten Bräuche der Schweiz zu sein, dieses Bloch. Zwei Dutzend verkleidete Männer ziehen einen halben Tag lang einen dicken Baumstamm auf einem Wagen durch die Gegend und bringen ihn wieder zurück. «S’Bloch» heisst dieser Baumstamm. So heisst auch der Brauch, der alle zwei Jahre kurz vor Aschermittwoch stattfindet. Und «S’Bloch» heisst auch der Dokumentarfilm dazu, der gerade in den Schweizer Kinos anläuft.

Filmemacher Thomas Rickenmann ist einmal mehr in seinem Element. Nach seiner Dokumentation über das Appenzeller Silvesterchlausen und dem Älpler-Erfolg «Alpzyt»  widmet er sich einem weiteren urtümlichen Schweizer Brauch. Diesmal begleitet er die Bloch-Kameraden aus Urnäsch AR auf ihrem Zwanzig-Kilometer-Gewaltmarsch mit dem tonnenschweren Baumstamm. Er ist dabei, wenn die kapitale Weisstanne gefällt wird, er ist dabei, wenn die Männer ihre Kostüme anprobieren, wenn sie den Baum schmücken, und er ist auch dann noch dabei, wenn das Bloch längst schon versteigert und die ganze Gesellschaft am Feiern ist.

Rickenmann nimmt seine Zuschauer mit, ermöglicht ihnen einen ungefilterten Einblick. Einen Kommentar gibt es im Film nicht, die Beteiligten sagen selbst, was sie zu sagen haben. Musik wird keine eingespielt, die Beteiligten tragen sie selber bei mit ihren Zauern, wie der Naturjodel im Appenzell heisst. Das alles lässt Fragen offen. Das Warum wird etwa nie beantwortet. Vermutlich auch, weil niemand so genau weiss, wieso das Bloch existiert. Nur, dass es vor 200 Jahren erstmals schriftlich erwähnt wurde. Schon damals betitelt als «uralter Brauch». 

Casting für die Knirpse
Nicht nur in Urnäsch kennt man das Bloch. Im Nachbardorf Hundwil etwa, wo die «Gros-sen» ihr Bloch vorbeischleppen, haben die Kleinen ihr eigenes Buben-Bloch. In einem regelrechten Casting werden die geeigneten Knirpse dort ausgewählt. Jeder will mitmachen – ein Nachwuchsproblem scheint der Bloch-Brauch nicht zu kennen. Wer am besten zauert, darf mit auf den Umzug, wer am schnellsten rennen kann, darf den Baumstamm ziehen.

Fast genauso seriös wie die Grossen bereiten sich die Buben vor, schmücken das Bloch mit Stumpen in den Mündern, als gäbe es für Achtjährige nichts Normaleres und legen noch in tiefster Nacht lärmend und jauchzend los mit ihrer Runde.

Der Film «S’Bloch» eröffnet den Zuschauern überraschende Perspektiven. Einerseits technisch – eindrücklich wird aus der Vogelperspektive gezeigt, wie die mächtige Bloch-Tanne gefällt wird; und auch für die jodeluntermalten, verschneiten Landschaftsbilder lohnt sich der Einsatz der Kameradrohne. Aber auch geografisch überrascht der Film, denn das Bloch entpuppt sich wider Erwarten als ziemlich international.

Es stellt sich heraus, dass auch in Tirol ein praktisch identischer Brauch besteht, der auch noch gleich heisst – Blochziehen. Rickenmann begleitet ein paar Appenzeller Blochkameraden dorthin. Noch weiter herumgekommen ist der Bloch-Baumstamm von 2011. Ein Künstler-Duo hat ihn damals ersteigert und fährt nun damit rund um den Globus, auf der Suche nach anderen Baumstamm-Bräuchen. Die beiden Künstler machen mit ihrem Weltreise-Bloch im grösseren Massstab dasselbe, was die Appenzeller alle zwei Jahre mit dem ihrigen machen. Denn auch er soll am Ende seiner Reise wieder in Urnäsch landen.

«S’Bloch – ein lebendiger Brauch im Appenzellerland», Dokumentarfilm, 98 Minuten, Verleih: ExtraMileFilms GmbH. Die Aufführungsorte finden Sie hier.

[IMG 2]