Martin Skalsky rennt durch eine Gletscherlandschaft, an seiner Seite ein schwarzer Mischlingshund. Dann hält er an und wirft dem Hund ein Stöckchen. «Ich war überhaupt kein Hundemensch», sagt der Filmemacher aus dem Off. «Im Gegenteil.» Aber Cody, der Strassenhund aus Rumänien, habe in ihm vom ersten Augenblick an eine Zuneigung und Neugierde geweckt. «Der Hund hatte etwas, das mich in die Verantwortung genommen hat», sagt Skalsky. «Er vertraute mir. Mir blieb nichts anderes übrig, als es ihm gleichzutun». 

Mehr noch, er wollte die Welt dieses sensiblen, beeindruckenden Wesens erkunden, fragte sich, was der Streuner wohl alles erlebt haben mag, und reiste nach Targoviste, eine 80 000-Einwohner-Stadt im Süden Rumäniens. Dort traf er Cristina Paun, die Retterin von Cody und unzähliger Strassenhunde. «Früher ging es den Hunden hier eigentlich ganz gut», erzählt sie. Doch 2013 wurde in Rumänien ein Tötungsgesetz eingeführt, seither werden die Hunde grossflächig eingefangen und getötet. 

Die Filmkamera zeigt in einer kurzen Sequenz, in welcher Realität Cody früher lebte: Männer, die Hunde einfangen, schlagen, auf Lastwagen pferchen. Hunde, die im Dreck einer Tötungsstation liegen. Zum Glück schwenkt die Kamera schon bald zu Cristina Paul, die auf einer grün umsäumten Vorortsstrasse steht. «Hier in diesen Büschen lebte er, zusammen mit einer weissen Hündin, die wir Blanche nannten», sagt sie. Hier habe sie die beiden von der Strasse geholt, bevor sie Opfer der Massentötungen werden konnten. Die Idee der Tierschützerin war, Cody und Blanche zusammen zu vermitteln, was aber nicht klappte. Blanche gelangte nach London, Cody kam zur Zwischenpflege nach Berlin – wo er zufällig Martin Skalsky begegnete. 

Auf Blanches Spuren
Das war vor fünf Jahren. Mittlerweile hat sich Cody bestens ins Skalskys Familie eingelebt. Auch Mila, Martin und Selina Skalskys zweijährige Tocher, geht mit dem Hund durch dick und dünn. Und doch fragt sich der 41-Jährige immer wieder, ob Cody bei seiner Rettung nicht «mehr verloren hat, als es den Anschein macht? Wäre Cody nicht lieber mit Blanche auf der Strasse geblieben?» Schliesslich hat er seine Freiheit verloren und wurde aus seinem Lebensraum gerissen. 

Während die Kamera Bilder der jungen Familie im aargauischen Mellingen zeigt, fragt sich Martin Skalsky, ob Codys neue Bindung wirklich die alte Partnerschaft mit Blanche ersetzen kann. Was wäre, wenn sich die beiden Strassenhunde wieder begegnen würden? Oder ist das bloss eine romantisch-menschliche Vorstellung? Welche Verantwortung haben wir den Tieren gegenüber? Und welche Rechte sind wir bereit, ihnen zuzusprechen? Skalsky sucht Antworten, besucht den US-amerikanischen Tierrechtsphilosophen Mark Rowlands in Miami und spricht mit der deutschen Autorin und Heilpraktikerin Maike Maja Nowak. «Jeder beim Menschen lebende Hund hat ein Recht auf eine soziale Gemeinschaft mit Menschen oder Hunden, in die er sich sinnvoll und seinen eigenen Kompetenzen gemäss einbinden kann», sagt sie. Rowlands ergänzt: «Es gibt viele Beweise, dass Tiere Empathie empfinden können.»

Schliesslich reist der Filmschaffende nach London, trifft Blanches neue Familie und bespricht mit der Besitzerin die Möglichkeit einer Zusammenführung der beiden Hunde. Marsha Hickmott ist skeptisch, doch schliesslich willigt sie zu einem Treffen im einem Londoner Park ein. 

Die Spannung bleibt bis am Schluss des Films bestehen. Skalskys Werk beobachtet und stellt Fragen, die uns im Umgang mit Tieren betreffen. Ein tiefgründiges Filmerlebnis, bei dem die Hunde im Vordergrund stehen.

«Cody –The Dog Days are over», 90 Minuten, Verleih: Frenetic Films, ab 24. Oktober in ausgewählten Kinos.  

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