Bei allen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit: Der Lockdown hat auch seine guten Seiten. Er lädt dazu ein, sich zuhause Tätigkeiten und Themen zu widmen, die man unter normalen Umständen vergessen oder vor sich hergeschoben hat.

Wer glücklicher Besitzer eines Balkons (oder zumindest eines geräumigen Fensterbretts) ist, könnte sich nun zum Beispiel vornehmen, «Gemüsereste endlos nachwachsen zu lassen». So lautet der Untertitel des Ratgebers «Regrow your Veggies», der schon vorletztes Jahr erschienen – aber aktueller denn je – ist. Er vermittelt praktische Tipps, wie man 20 vermeintliche Küchenabfälle durch Nachzucht von Gemüse beinahe endlos nachwachsen lassen kann.

Autorin Melissa Raupach hat das das Buch mit ihrem Kollegen Felix Lill geschrieben. Beide sind Gründer des digitalen Gartenmagazins Plantura und haben somit einen grünen Daumen.

Die «Regrow your Veggies»-Autoren Melissa Raupach und Felix Lill im Bayrischen Fernsehen

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Bereits im Vorwort räumt Raupach mit der Annahme auf, dass man für Regrowing von Gemüseresten einen grossen Garten braucht. Die Pflanzen könne man problemlos auf dem Balkon – oder sogar auf dem Fensterbrett – nachwachsen lassen, schreibt sie. «Das ist nicht nur für Erwachsene und eigentliche Stadtmenschen wie mich spannend. Es ermöglicht auch Kindern, einen Bezug zu gesunden Lebensmitteln herzustellen und Spass am Anbau zu finden.»  

Konservendosen als Pflanzenbehälter
Gleichzeitig sei diese Methode ein Beitrag zur Müllvermeidung und Nachhaltigkeit. Denn viele Pflanzentöpfe, die sie in Geschäften gekauft habe, seien nach kurzer Zeit nicht mehr verwendbar gewesen und auf dem Abfall gelandet. Gleichzeitig ist die Autorin realistisch: «Deinen Gesamtbedarf an Grünzeug wirst du (auf diese Weise) vermutlich nicht decken können (ausser, du isst kaum Gemüse oder bist ein echter Regrow-Profi).» Doch darum gehe es auch nicht, sondern um die Rückbesinnung zur Einfachheit.

Um dieser Aussage Nachdruck zu verleihen, zeigt sie auf der Folgeseite das Bild leerer Konservendosen. Statt sie wegzuwerfen, werden sie auf ungewöhnliche Art und Weise recycelt: Sie dienen kleinen Salatstecklingen als Pflanzbehälter.

Wer nach diesen ermutigenden Worten der Einleitung das Bedürfnis verspürt, sich sofort ans Werk zu machen, sich bisher aber nie als Regrow-Gärtner betätigt hat, sollte sich dennoch gedulden und weiterlesen. Denn ganz so einfach ist die Sache nicht.

Ein paar Grundlagen in Bezug auf die Pflanzenvermehrung sollte man schon kennen. Sonst gibt es am Ende Enttäuschungen. Keine Bange, die Tipps, die Raupach zusammengestellt hat, lesen sich einfach und werden durch viele hilfreiche Illustrationen aufgelockert und anschaulich gemacht. Wie ist das mit dem Licht? Wieviel Wärme braucht eine Pflanze? Wieviel Wasser, Dünger, Luftfeuchtigkeit? Und wie funktioniert das mit dem Umtopfen?

Start mit Chinakohl und Frühlingszwiebel
Wenn diese Fragen geklärt sind, kann es losgehen: mit dem Chinakohl und der Frühlingszwiebel. Zu jedem Gemüse erfährt der geneigte Leser beziehungsweise die geneigte Leserin, woher es kommt, welche Nährwerte es aufweist, wie man es anbaut und später erntet.

Besonders hilfreich ist der Regrow-Check am Ende jedes Kapitels: Mit Sternchen zeigt er auf einen Blick, wieviel Licht, Wärme und Feuchtigkeit das jeweilige Gemüse benötigt. Und auch der Schwierigkeitsgrad ist sofort ersichtlich – je nachdem eine wichtige Entscheidungshilfe, wenn es darum geht, zu planen, was man nun anpflanzen möchte.

So ist es für Regrow-Novizen sicher nicht ratsam, mit den Ingwergewächsen aus der Galgant-Familie zu beginnen. Der Schwierigkeitsgrad wird hier mit fünf Sternchen ausgewiesen, was ein hoher Wert ist (zum Vergleich: das Regrowing von Basilikum hat nur zwei).

Die Begründung befindet sich in der Anleitung: Der Anbau von Galgant sei eine Königsdisziplin in Sachen Geduld. Schon beim Anbau in Südostasien – bei optimalsten Bedingungen – brauche der gesamte Reifeprozess des Rhizoms um die fünf Jahre. Bei uns dauere es noch länger, da wir in unseren Breiten mit den dortigen klimatischen Bedingungen nicht mithalten können.

Pannenhilfe für den Notfall 
Nur – entmutigen oder abschrecken lassen sollte sich dadurch niemand. Auch nicht davon, dass Mango, Avocado, Zwiebel oder Süsskartoffel mitunter nicht so gedeihen, wie man es sich vorgestellt hat. Wie hatte die Autorin doch im Vorwort geschrieben: Regrowing soll nicht zuletzt auch Spass machen.

Sollte also etwas schief gehen, gibt es am Schluss des Buches das Kapitel «Pannenhilfe». In ihm sind Infos zu Mehltau, Blattläusen oder Sonnenbrand gesammelt. Falls sie allerdings auch nicht helfen, bleibt dann halt nur eines: zurück auf Feld eins. Aber eben, Ausprobieren ist auch Teil dieser Disziplin.

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Melissa Raupach / Felix Lill:
«Regrow your Veggies»,
gebunden,
128 Seiten,
Eugen Ulmer KG,
2018,
ISBN 978-3-8186-0534-6,
ca. Fr. 18.-