Höher, protziger und extravaganter. Die arabische Stadt Dubai geizt nicht mit Superlativen. Mit dem 828 Meter hohen Burj Khalifa steht das höchste Gebäude der Welt im Wüstenemirat. Die Dubai Mall ist das weltweit grösste Einkaufszentrum. Und der schwerste Goldring auf diesem Planeten mit einem Gewicht von knapp 64 Kilogramm befindet sich ebenfalls in Dubai.

Der britische Fotograf Richard Allenby-­Pratt sorgt aber aus einem ganz anderen Grund für Münder, die sich vor Erstaunen weit öffnen. Auf seinen Bildern zeigt er Dubai von bisher unbekannter Seite: Oryxantilopen flanieren vor der Baustelle eines riesigen Wolkenkratzers; ein Steinbock stolziert auf einem Stahlträger; ein einsamer Löwe blickt von einer Ruine aus auf die Stadtsilhouette, die bis in den Himmel ragt; Zebras gehen gemütlich auf einer Strasse spazieren und ein Pfau macht mit seinem Gewand einem imposanten Meer von Hochhäusern Konkurrenz. 

Was auf den ersten und auch noch auf den zweiten und dritten Blick täuschend echt wirkt, sind brillante Montagen von Allenby-­Pratt. Auf die ungewöhnliche Idee ist der vielfach prämierte Profifotograf während der Finanzkrise 2009 gekommen. «Damals war Dubai voller verlassener, unfertiger Gebäude, die eine mystische Landschaft bildeten», erinnert sich der Engländer. «Ich habe mich gefragt, wie es wohl aussehen würde, wenn sich die Natur den städtischen Raum zurückerobern würde.» Seine Bilder geben beeindruckende Antworten darauf und sind mehr als nur eine Spielerei. Er möchte mit seinen Szenarien zum Nachdenken anregen, dass die Natur eines besseren Schutzes bedarf.

Einst lebten die Tiere tatsächlich hier
Dass sich Allenby-Pratt für exotische Tierarten entschieden hat, die in freier Wildbahn vor allem in den Savannen Afrikas vorkommen, ist kein Zufall. «Die Tiere auf meinen Fotos leben alle in Dubai, in Zoos und bei reichen Scheichs als ‹Haustiere›», erzählt der Künstler, der seit mehr als 15 Jahren in den Vereinigten Arabischen Emiraten lebt. Zudem waren zur Zeit der letzten Eiszeit zahlreiche Savannentiere im heutigen Wüstenemirat beheimatet. «Die Tiere auf meinen Collagen sind also gar nicht so unwahrscheinlich, wie man zunächst vermuten würde.»

Das Geheimnis seiner raffinierten Montagetechnik verrät Allenby-Pratt nicht. Dafür macht er keinen Hehl aus seiner Leidenschaft für die Wüste. Häufig campiert er deswegen mit seiner Familie ausserhalb Dubais in der nahezu unberührten Natur. Ein Höhepunkt war die Begegnung mit einer Arabischen Sandboa. Nur selten bekommen Menschen sie zu Gesicht, da sie meistens eingegraben im Sand leben und nur die Augen und Nasenöffnungen herausschauen. «Wir hatten das Glück, ein vollgefressenes Exemplar zu sehen, das offenbar zu träge war, wieder in den Sand abzutauchen», erzählt Allenby-Pratt. Leider hatte er seine Kamera nicht griffbereit. Sonst wäre die Sandboa bestimmt auch auf einem seiner Werke verewigt worden.