1. Geduld
Dieser Tipp mag als Einstieg etwas abschreckend wirken. Doch wenn sie nicht die nötige Geduld aufbringen können, fotografieren Sie besser Pflanzen oder unbelebte Motive, statt sich an Tieren zu versuchen. Bereits Ihr Haustier wird mit grosser Wahrscheinlichkeit genau dann, wenn sie den Finger am Auslöser haben, spontan sein herziges Spiel beenden oder vom Sonnenplatz in eine schattige Ecke wechseln. Noch viel schwieriger wird es mit scheuen Wildtieren, denen Sie für ein gutes Bild unter Umständen stundenlang auflauern müssen. 

2. Das Motiv
Wie gesagt, Wildtiere sind ausserordentlich schwierige Motive. Um sich mit den verschiedenen Faktoren eines guten Fotos vertraut zu machen, empfiehlt es sich, stattdessen den eigenen Hund, den Marienkäfer im Garten oder den Bison im Zoo zu fotografieren. In den Worten des mehrfach preisgekrönte Schweizer Jungfotografen Etienne Francey: «Lieber ein gutes Mückenfoto als ein schlechtes Fuchsfoto.» Erst wenn die Ergebnisse mit einfacheren Sujets gut sind, lohnt es sich, seltenen und scheuen Wildtieren aufzulauern.

3. Das Licht
Vermeiden Sie die grelle Mittagssonne im Sommer. Erfahrene Fotografen bevorzugen meist das Licht kurz nach Sonnenauf- beziehungsweise vor Sonnenuntergang. Und selbstverständlich sollten sie Gegenlicht vermeiden.

4. Der Hintergrund
Ein nervöser Hintergrund lenkt vom Hauptmotiv ab. Wenn Sie ihr Haustier fotografieren wollen, suchen Sie zuerst einen geeigneten Ort dafür aus. Bei Wildtieren haben Sie diese Möglichkeit nicht. Sie können stattdessen entweder einen kleineren Bildausschnitt wählen, bei welchem mehr vom Tier und weniger vom Hintergrund zu sehen ist, oder mittels Teleobjektiv und kleiner Blende eine geringe Tiefenschärfe erzeugen. Dadurch wird der Hintergrund verschwommen und stört nicht mehr.

5. Die Komposition
Die langweiligste Variante ist das Motiv, das perfekt zentriert in der Bildmitte steht. Spannender ist die Komposition, wenn das Tier vom Rand her in Richtung Bildmitte blickt oder sich in diese Richtung bewegt – zu sehen beim Siegerbild des letztjährigen «Tierwelt»-Fotowettbewerbs (siehe auch Bildergalerie oben).

6. Die Perspektive
Begeben Sie sich auf Augenhöhe mit dem Motiv, statt von oben herab zu fotografieren. Sie erzeugen so eine grössere emotionale Nähe zwischen Betrachter und Tier. Auch sollte Sie immer auf die Augen des Tiers scharf stellen, da wir Menschen – im Gegensatz zu den meisten Tieren – unserem Gegenüber bevorzugt in die Augen blicken.

7. Bewegung
Ein bewegtes Objekt ist spannender als ein unbewegtes. Aber auch schwieriger zu fotografieren. Mit Serienbildaufnahmen können Sie die Chance erhöhen, den richtigen Moment zu erwischen. Stellen Sie dabei bei der Kamera den kontinuierlichen Autofokus ein, damit die Bilder auch scharf werden, wenn sich der Abstand zum Motiv verändert.

8. Zoologie
Informieren Sie sich über das Tier, das Sie fotografieren wollen. Das ist besonders wichtig bei der Wildtierfotografie. Um welche Zeit zeigt das Tiere die grösste Aktivität? Wie nahe dürfen Sie heran, ohne es zu stören? Der Respekt vor dem Tier ist wichtiger als ein gelungenes Foto.

9. Die Ausrüstung
Die Qualität der Kameras und Objektive ist inzwischen so hoch, dass sich auch mit günstigen Geräten exzellente Fotos machen lassen. So wurden beim renommierten World Photography Award erstmals auch Handybilder in einer eigenen Kategorie ausgezeichnet. Für Spitzenfotos von Wildtieren kommen Sie aber nicht um den Kauf eines Teleobjektivs herum, das Nähe zu scheuen Tieren schafft. Um Verwackelungen vorzubeugen, sollten Sie das Tele in Kombination mit einem Stativ verwenden. Die Variante für das kleine Budget: Mittels Adapter wird das Fernrohr oder der Feldstecher zum Teleobjektiv für das Smartphone.

10. Raus jetzt!
Um zum wirklich guten Fotograf zu werden, müssen Sie fotografieren, fotografieren, fotografieren. Bei tierischen Motiven ist es besonders wichtig, die wichtigsten Kamerafunktionen aus dem Effeff zu beherrschen, um im entscheidenden Moment keine Zeit mit den Einstellungen zu verlieren. Also: Computer ausschalten und Kamera hervorholen!

Und hier noch ein letzter Ratschlag: Wenn sie sich alle obigen Tipps gemerkt haben, dürfen Sie sie wieder verwerfen – so können wirklich ungewöhnliche Bilder entstehen. Das Siegerbild im «Wildlife Photographer of the Year 2014» zum Beispiel zeigt schlafende Löwen von oben herab fotografiert und durchbricht somit sowohl die sechste als auch die siebte der obenstehenden Faustregeln.

Wir wünschen viel Erfolg und vor allem viel Freude beim Fotografieren und freuen uns, wenn Sie Ihre besten Bilder beim «Tierwelt»-Fotowettbewerb einreichen.