Die Küchenwand ist schwarz vor Russ. Am Herd hantiert die Mutter mit einer Pfanne. Ein kleines Mädchen kniet am Boden und füttert eine Henne. Daneben steht der Vater, barfuss mit dreckigen Füssen. Zärtlich hält er die Hand seiner älteren Tochter. «War ich bei den Leuten, fühlte ich ihr Denken und Atmen, ich spürte, wie sie die Wirklichkeit erlebten, und genau das wollte ich auf dem Bild», schreibt der Luzerner Fotograf Peter Ammon in einem Buch, in dem er schon 2007 seine Bilder kommentierte. 

Trotz beklemmender Armut und sichtbaren Entbehrungen strahlen die Protagonisten auf seinen Bildern eine Harmonie und Innigkeit aus, die berührt und Nähe schafft. Der Betrachter taucht in die Szene ein und fühlt sich, als blicke er der Mutter beim Kochen über die Schultern, als höre er das Gackern der Henne und spüre den kalten Steinboden unter den nackten Füssen. 

Als junger Mann war Ammon in den 1950er-Jahren unterwegs in den Bergtälern der Schweiz; zuerst mit einem Puch-Motorrad, dann mit einem VW Käfer. Sein Ziel: die ursprünglichste Art der Schweiz zu fotografieren. Dafür verbrachte er viel Zeit in den Tälern und Dörfern; war zu Gast in Ställen, Küchen, Schulzimmern und Werkstätten. Ammon agierte als stiller Beobachter. «Trotz meiner Kamera, meiner Lampen und meines Metiers war ich einer der ihrigen», schreibt er. «Ich wollte das Positive an den Menschen sehen, sie nicht karikieren. Sie spürten, dass ich mich für sie und ihr Leben interessierte.»

Einer der ersten Farbfotografen
Entstanden sind Bilder, die Ruhe und Ehrfurcht ausstrahlen. Heute sind die zwischen 1952 und 1958 aufgenommenen Fotografien wichtige Zeitzeugen. Denn damals waren fast 20 Prozent der Schweizer Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig. Rund ein Drittel der Landwirte waren Bergbauern. Durch den Wirtschaftsaufschwung, die Abwanderung und Mechanisierung nach dem Krieg veränderte sich diese Struktur jedoch rasant. 

Ammon schaffte es mit seinen Bildern, die ursprüngliche alpine Selbstversorgung – vom Käsen, Metzgen, Scheren, Spinnen, Flechten und Räuchern – in idealtypischen Szenen festzuhalten. Die porträtierten Menschen wirken in ihrer Einfachheit und Armut nicht primitiv, sondern stark und stolz.

Finanziell war Ammons Arbeit eine Gratwanderung. Er verwendete damals die neuste Technik: Kohlenblitze, eine Sinar-Kamera und das sogenannte Ektachrom-Verfahren. Diese Farbfotografie ermöglichte starke Kontraste, eine hohe Schärfe und Farbtreue. Als einer der ersten Schweizer Fotografen machte er Farbdias und grossformatige Bilder. Was teilweise wie spontane Schnappschüsse wirkt, waren in Wirklichkeit inszenierte Kompositionen. Denn um eine plastische Wirkung der Szenen zu erzielen, brauchte es einen genauen Bildaufbau, eine bis ins letzte Detail arrangierte Beleuchtung und bis zu drei Kohlenblitze. Doch das Material kostete. Nach den Ausgaben für Benzin und Material blieb vor allem am Anfang kaum was übrig.

Ammon erkannte aber schnell, welche Bilder er verkaufen konnte und etablierte sich als Fotograf für Wochenzeitschriften und Kalender. Seine Bilder wurden im In- und Ausland gedruckt. Heute arbeitet und lebt der 92-Jährige in Südfrankreich.

Ausstellung: «Bergleben. Fotografie von Peter Ammon»; Schweizer Nationalmuseum. Forum Schweizer Geschichte Schwyz. Noch bis 12.3.17

Buch: Peter Ammon: «Schweizer Bergleben um 1950», ISBN: 978-3-033-00875-5, ca. Fr. 78.–