Hanna B.* war kürzlich mit ihren Hunden im Auto unterwegs. Auf dem Beifahrersitz ihr kleiner Terrier. Hanna B. wurde von der Polizei angehalten, wegen «ungenügender Sicherung der Ladung des Hundes» verwarnt und kassierte eine Strafe von 240 Franken. Auch Ella H.* wurde angehalten mit ihrem Labradoodle auf dem Beifahrersitz. Sie allerdings hatte ihren Hund angeschnallt. Der Polizist stellte klar, dass der Hund in eine Box oder auf den Rücksitz gehöre, angeschnallt. Dass er sie stören könne, wenn er vorne sitze.

Ella H. verteidigte sich. Ihr Hund könne wegen eines Hüftproblems nicht in den Kofferraum, er bleibe nicht ruhig auf dem Rücksitz und fahre seit Jahren ruhig auf dem Beifahrersitz mit. Ein zweiter Polizist befand dann, der Hund sei eigentlich korrekt angeschnallt und Frau und Hund konnten unbehelligt weiterfahren, ohne Verwarnung und ohne Busse.

Der Hund darf den Fahrer nicht gefährden
Nun gibt es aber kein Gesetz, das vorschreibt, dass ein Hund im Auto angeschnallt sein muss. Denn auf die Frage, ob es eine Gurtenpflicht für Hunde gebe, antwortet Beat Jost, Mediensprecher der Kantonspolizei Zürich: «Es gibt keine Bestimmung, welche das Sichern von Tieren im Personenwagen ausdrücklich vorschreibt.» Laut Jost gibt es auch kein Gesetz, nach dem Hundeboxen oder Gitter im Auto zwingend vorgeschrieben wären. Relevant ist hier laut Jost Artikel 30 des Strassenverkehrsgesetzes (SVG). Er schreibt vor, dass «die Ladung so anzubringen ist, dass sie niemanden gefährdet oder belästigt und nicht herunterfallen kann». Zudem muss der Lenker gemäss Artikel 31 des SVG «dafür sorgen, dass er weder durch die Ladung noch auf andere Weise behindert wird».

So stellt sich die Frage, warum Hanna B. gebüsst wurde und Ella H. nicht. Beide Frauen fühlten sich subjektiv durch ihre Hunde nicht gestört. Dazu möchte sich Beat Jost nicht äussern. Die Frage lasse sich pauschal nicht beantworten, meint er: «Jeder Fall muss einzeln durch den kontrollierenden Polizisten nach den geltenden Gesetzen beurteilt werden.»

Ein ausgewiesener Kenner der Materie ist Daniel Jung, Rechtsanwalt aus dem Thurgau mit Schwerpunkt Tierrechtsfragen. Jung bestätigt die Aussagen der Kantonspolizei Zürich: «In der Schweiz gibt es ganz klar keine gesetzliche Vorschrift, die eine Gurtenpflicht für Hunde vorsieht.» Das gehe aus einem Bundesgerichtsurteil von 2011 hervor. Damals galt es den Fall eines Lenkers zu beurteilen, der seine Katze auf dem Armaturenbrett mitführte. Eine Katze auf dem Armaturenbrett sei eine Gefährdung, genau gleich wie ein Hund, den man auf dem Schoss habe, hiess es im Urteil. Aber eine Gurtenpflicht, das gebe es nicht. 

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Speziell angefertigte Hundeboxen sind eine sichere Lösung zum
Transport der Tiere.

Bild: Charlotte Heer Grau

In der Grauzone
Im Strafrecht gilt der Grundsatz: Es gibt keine Strafe ohne konkrete gesetzliche Regelung. «Also wenn ich einen älteren, ruhigen Hund auf dem Rücksitz mitführe, der mich weder behindert noch meine Sicht stört, dann gibt es keine Pflicht, ihn in einer Box zu transportieren», sagt Jung. Er bezieht sich dabei unter anderem auf einen Kommentar von Philippe Weissenberger, einem anerkannten Strassenverkehrsrechtler und Richter am Bundesverwaltungsgericht. Weissenberger schreibt: «Von Tieren, die auf oder vor dem Beifahrer- oder Hintersitz liegen, geht in der Regel keine relevante Gefährdung aus. Ein mitgeführtes Tier muss den Lenker deutlich stören oder behindern, um aufgrund einer davon ausgehenden mindestens erhöhten abstrakten Gefährdung der anderen Verkehrs­teilnehmer eine Anzeige beziehungsweise Busse zu rechtfertigen.»

Da stellt sich noch einmal die Frage: Warum wurde Hanna B. gebüsst, aber Ella H. nicht? Willkür? Einzelbeispiele seien untauglich, meint Jung dazu. Entscheidend seien die konkreten Umstände des Einzelfalls. «Es ist Aufgabe der Polizei, zu belegen, dass ein Hund gestört hat. Das ist ein Graubereich und der ist nicht auflösbar, denn eine gewisse Selbstverantwortung haben wir Menschen, das kann man uns nicht abnehmen.» Wichtig sei es aber zu wissen, dass es falsch ist, wenn ein Polizist einfach nur sagen würde, es gebe eine Boxen- oder eine Gurtenpflicht für den Hund.

Im Streitfall muss das Gericht beurteilen, ob die beschuldigte Person oder der Polizist Recht hat. Daniel Jung ist selber auch Hundehalter und als solcher rät er zur Vernunft, auch im Sinne des Tieres. Er empfiehlt darum allen Leuten, sich eine tiergerechte Box anzuschaffen, welche  richtig befestigt sein müsse, denn auch diese könne nach vorne fliegen. Wenn eine Box nicht möglich ist, rät er, mindestens ein Netz anzubringen, damit man nicht ständig Diskussionen mit der Polizei hat. 

Gleichzeitig sei aber auch klar, dass es Ausnahmen geben müsse. Zum Beispiel, wenn man nach der Hundeschule einen Kollegen mit Hund nach Hause fahre. Hier fahren die beiden am besten auf dem Rücksitz mit. Oder auch, wenn sich eine Frau nachts unsicher fühle und den Hund darum neben sich auf dem Beifahrersitz haben möchte: «Für solche Situationen bin ich froh, dass es nicht noch mehr Gesetze und Regelungen gibt, als denn unbedingt nötig sind», sagt Jung. Letztlich wäre ja nicht einmal mehr eine Fahrt im Taxi möglich.

Wer mit einem Strafbefehl nicht einverstanden ist, tut gut daran, die Situation allenfalls mit einem kundigen Anwalt zu besprechen und sofort Einsprache zu erheben. Was aber, wenn das Portemonnaie nicht gross genug ist für einen Anwalt oder Rekurs? Auch hier weiss Jung Rat: «Als Mitglied der Schweizerischen Kynologischen Gesellschaft hat man eine Kollektiv-Rechtsschutzversicherung, die bietet professionelle Hilfe an.» Letztlich aber sind solche Streitigkeiten immer Unannehmlichkeiten. Es ist besser vorzusorgen und die bestmögliche und sicherste Transportlösung zu suchen, sich und seinen vierbeinigen Beifahrern zuliebe.

*Namen der Redaktion bekannt