Zieht ein Hund neu ein, sollten sich Halterinnen und Halter auch über Gesetz, Recht und Pflichten schlaumachen. Doch: Wer ist «der Halter»? Es gibt den Halter nach Tierschutzrecht, dem die Sorgepflicht obliegt, oder nach Haftpflichtrecht, der das Tier überwacht. Zu beachten gilt: Nachbarinnen oder Mitbewohner, die das Tier nicht regelmässig betreuen, gelten nicht als Tierhalter.

Laut Artikel 56 des Obligationenrechts haftet der Halter für Schäden, die sein Tier angerichtet hat. Schäden können Heilungskosten sein (Bisswunden), Neuanschaffungskosten (zerrissene Kleider), Reparaturkosten (zerkratztes Auto), Kosten bei Erwerbsausfall, Invalidität, zusätzlich Schmerzensgelder oder Zahlungen für Genugtuung.

Gesetze und Gesetzgeber
Auf Bundesebene gibt es die Tierschutzverordnung für den Schutz des Tieres, das Jagd-gesetz (Hunde dürfen nicht wildern), die Tierseuchenverordnung (Regis-trierungspflicht mit Mikrochip),
das Strassenverkehrsgesetz (Vorschriften über Mitführen des Hundes im Auto oder am Fahrrad), das Zivilgesetzbuch / Obligationenrecht (ZGB/OR: Haftpflicht, Privatrecht, Verträge, Erbrecht etc.).

 

Weil auf Bundesebene 2010 ein einheitliches Hundegesetz abgelehnt wurde, haben die Kantone ihre eigenen Regelungen betreffend Hundehaltung, die
meisten in einem Hundegesetz.
13 Kantone haben Rassenlisten,
die gewisse Rassen verbieten oder deren Haltung mit Auflagen verbinden.

Die Haftflicht ist sehr streng. Es gilt die Kausalhaftung: Der Halter haftet ohne eigenes Verschulden, wenn sein Hund den Schaden auch nur indirekt verschuldet hat. Beispiel: Der frei laufende Hund jagt eine Katze, überquert die 50 Meter entfernte Strasse, auf der ein Autolenker beim Versuch auszuweichen eine Frontalkollision verursacht. In diesem Fall ist der Hundehalter chancenlos, wenn dem Lenker nicht eine grobe Verfehlung nachgewiesen werden kann. Sämtliche Schadenskosten, was schnell einmal mehrere Hunderttausend Franken betragen kann, gehen zulasten des Halters.

Schwieriger Nachweis
Wer sich von der Haftpflicht befreien will, muss beweisen können, dass er die Sorgfaltspflicht erfüllt und alle erdenklichen Massnahmen getroffen hat, um den Schadenseintritt zu vermeiden. Den Nachweis zu erbringen, diese Anforderungen erfüllt zu haben, ist in der Praxis schwierig.

Wie streng Haft- und Sorgfaltspflicht sind, hängt vom Einzelfall und vom Ermessensspielraum ab, den ein Richter hat. Bianca Körner, rechtswissenschaftliche Mitarbeiterin, Stiftung Tier im Recht (TIR), erläutert dies anhand von vier Fällen:

Fall 1: Ein Hund sitzt angeleint vor dem Laden, ein Kind geht auf ihn zu, streckt die Hand aus, um ihn zu streicheln, und wird in die Hand gebissen, sodass ein Arztbesuch nötig wird. Körner erklärt, dass es hier schwierig für den Halter würde, sich zu entlasten. «Würde sich herausstellen, dass der Hund gegenüber Kindern unsicher oder ängstlich ist, wäre die Sorgfaltspflicht ohnehin verletzt und eine Entlastung kommt nicht in Betracht.» Je nachdem, wie der Fall konkret gelagert ist, wäre in einem weiteren Schritt allenfalls ein Selbstverschulden der aufsichtspflichtigen Eltern oder des bereits urteilsfähigen Kindes zu prüfen. Läge ein solches vor, könnte dies zu einer Reduktion der Haftungssumme führen. Weil es sich um einen Beissvorfall handle, könne nach gesetzlich vorgeschriebener Meldung durch den Arzt eine verwaltungsrechtliche Massnahme vom Veterinäramt drohen wie Wesenstest oder / und – nach Prüfung des Hundes – eine Maulkorbtragpflicht.

Fall 2: Ein Hundehalter spaziert mit Hund die Waldstrasse hinunter, von hinten fährt ein Biker auf, der Hund springt erschreckt zur Seite, der Biker fährt in die Leine, stürzt und verletzt sich. Auch hier gelte die Kausalhaftung, so Körner: «Wenn sich der Biker nicht angemeldet hat und in hohem Tempo gefahren ist, könnte sein Selbstverschulden zu berücksichtigen sein, womit die Kosten entsprechend dem Verschuldensgrad aufgeteilt würden.» Wenn der Hundehalter Kopfhörer in den Ohren trug oder am Handy war, hätte er klar die Sorgfaltspflicht verletzt.

Fall 3: Zwei Halterinnen lassen ihre Hunde frei, die sich jagen. Ein Hund überrennt die andere Halterin, die sich am Knie verletzt und länger arbeitsunfähig ist. Laut Bianca Körner kommt es auf den Einzelfall und die Argumentation an. «Allenfalls könnte davon ausgegangen werden, dass die Halterinnen durch die Absprache des Ableinens in dadurch entstehende tierspezifische Gefahren eingewilligt haben.» Eine Haftung würde somit entfallen.

Fall 4: Ein Halter ist vorübergehend gehbehindert. Sein Nachbar, der den Malinois-Rüden kennt, übernimmt während drei Wochen das Gassigehen. Bei einer Hundebegegnung verletzt er einen anderen Hund. Der Nachbar hat keine Haftpflichtversicherung. Hier kann die Auslegung unterschiedlich ausfallen. Streng genommen läge die Verfügungsgewalt beim Halter. Wenn jedoch der Nachbar gut instruiert worden sei und den Hund öfters spazieren führe, könne auch er in die Pflicht genommen werden. Die TIR-Mitarbeiterin rät darum allen, die hie und da mit Hund unterwegs seien, sich bei der eigenen Haftpflichtversicherung über die Bedingungen zu erkundigen oder, wo keine vorhanden ist, eine solche abzuschliessen. Für Hundehalter selber sei eine Haftpflichtversicherung unabdingbar, in gewissen Kantonen obligatorisch. 

Bei der Haftpflicht muss bedacht werden, dass Schäden, die Personen treffen, die im selben Haushalt wie der Halter leben, nicht versichert sind. Nicht versichert sind zudem Schäden an Wohneigentum oder eigenen Einrichtungsgegenständen. In Mietwohnungen werden einmalige Instandstellungskosten zwar bezahlt, die Begleichung von Schäden, die sich über längere Zeit eingestellt haben, kann die Versicherung ablehnen.

www.tierimrecht.org