Ein robustes Seil und ein Mensch, der am andern Ende zieht: Für viele Hunde ist das der Inbegriff von Spielvergnügen. Kein Wunder, denn das wilde Zerren an vermeintlicher Beute spricht die uralten Instinkte der Vierbeiner an und gehört zum natürlichen Verhaltensrepertoire. «Das kann man schon bei jungen Hunden beobachten. Wenn ein Welpe eine Socke anschleppt, zettelt sicher ein anderer ein Zerrspiel an», sagt Susi Roger, Hundetrainerin und -physiotherapeutin. Nach Rogers Erfahrung sind vor allem Terrier, Hüte- und Treibhunde mit gros­sem Eifer bei der Sache. «Das heisst natürlich nicht, dass es anderen Rassen nicht auch Spass macht – meine Golden Retriever und Dackel haben Zerrspiele auch geliebt.» 

Gar keinen Spass beim Thema Zerrspiel verstehen allerdings einige Hundetrainer der alten Schule. Sie raten, entweder ganz auf diese Beschäftigungsmöglichkeit zu verzichten oder den Hund wenigstens nie gewinnen zu lassen. Ansonsten, so die Befürchtung, könne der Hunde auf die Idee kommen, der Boss im Haus zu sein. Stimmt nicht, sagt Susi Roger, die in Kloten die Hundeschule «Doggynose» leitet. «In einer vertrauensvollen Hund-Mensch-Beziehung ohne grundlegende Probleme stellt kein Vierbeiner die Überlegenheit des Hundehalters infrage, weil er ein Zerrspiel gewinnt.» Es sei für die Hunde ganz klar ein Spiel, ein Kräftemessen miteinander und nicht gegeneinander. «Und das macht nur Spass, wenn auch der Hund mal gewinnen und stolz seine Beute davontragen darf.»

Achtung beim Zahnwechsel 
Gerade bei unsicheren Hunden könne so ein Beuteerfolg das Selbstbewusstsein stärken. Und bei einem eingespielten Team bringt der Hund das Seil nach kurzer Zeit sowieso zurück, um den Besitzer zu einer neuen Runde zu animieren. «Je mehr der Hund seinem Spielpartner vertraut und je mehr Souveränität der Hundehalter im Spiel beweist, desto mehr vertraut der Hund seinem Halter auch in Alltagssituationen», so Roger. 

Bei Hunden, die zur Ressourcenverteidigung neigen, «ihr» Spielzeug also aggressiv verteidigen, und mit anderen Verhaltensproblemen, solle man das Seil aber tatsächlich im Schrank lassen. Das gilt auch für die Zeit des Zahnwechsels. Bei anderen gesundheitlichen Problemen wie Arthrose solle man zur Sicherheit den Tierarzt konsultieren. 

Die Spielregeln 

  • Für das Zerrspiel braucht man ein geeignetes Spielzeug, zum Beispiel ein dickes, am Ende geknotetes Tau oder einen Hartgummireifen aus dem Fachhandel. Äste oder Kunststoffgegenstände können splittern und böse Verletzungen verursachen. 
     
  • Der Hund darf kräftig ins Seil, aber nicht in die Hände beissen. So lässt sich mit jungen Hunden spielerisch die Beisshemmung trainieren. 
     
  • Gas geben ist erlaubt, aber: «Der Hund sollte immer ansprechbar bleiben, auch mitten im Spiel noch auf den Menschen hören und das Seil auf Kommando auch wieder loslassen», sagt die Hundetrainerin. 
     
  • Der Mensch sollte seinen Kraft-einsatz dem Hund anpassen: Bei einer ausgewachsenen Dogge sich mehr ins Seil hängen als bei einem Chihuahua. 
     
  • Wird ein Hund beim Zerrspiel heftig hin und her geschüttelt oder gar in die Luft gehoben, kann die Wirbelsäule Schaden nehmen. Um diese zu schützen, sollte das Seil ausserdem nicht auf und ab, sondern hin und her, also waagerecht bewegt werden.