Das Anspringen von Hunden ist in unserer Gesellschaft unerwünscht. Sei es, weil man keine schmutzigen Hosen riskieren möchte oder weil das Hochspringen schlicht als lästig empfunden wird. Doch ausgelöst und bestätigt hat der Mensch dieses Hundeverhalten. Die gewonnene Beachtung – allein durch die Reaktion des Menschen – stellt insbesondere für den jungen Hund einen Erfolg dar. Das eingeübte Hochspringen wird so zum klassischen selbstbelohnenden Verhalten. Bis es der Mensch, der dafür die Schuld trägt, wieder abstellen will.

Tatort Hundeschule. Hundehalter Urs Frei* entschuldigt sich zu Beginn der ersten Stunde im Voraus für seinen Hund, der halt bei jeder Person hochspringen wolle. Die Hundetrainerin kennt sich in der Verhaltensarbeit aus. Sie weist die drei anderen Teilnehmer an, den Hund nicht zu beachten und entspannt dazustehen. Dann sagt sie Urs Frei, er soll das Bild des Anspringens ausblenden und seinen Hund aus dem Auto nehmen. Der Halter tut wie geheissen. Sein Hund schüttelt sich beim Auto kurz ab und bewegt sich an lockerer Leine zur einen, dann zur anderen Person hin, riecht kurz am Hosenbein und geht weiter. Von Hochspringen keine Rede. 

Hündische Kommunikation
Worum geht es? Der Hund will sein Gegenüber mit der Nase kurz überprüfen, nur das, nichts Weiteres – doch oft hält sich der Mensch nicht daran und reagiert auf den kurzen Kontakt. Das Ziel soll sein, dass der Hund sich selbstständig richtig verhält und nicht hochspringt, ohne dass er jedes Mal korrigiert oder ins «Sitz» kommandiert werden muss. Jeder Hundebesitzer tut darum gut daran, wenn er schon beim Welpen darauf achtet, dass er dies nicht einübt. Er erspart sich damit unnötigen Ärger, böse Blicke, heftige Worte oder eine Rechnung für die Kleiderreinigung. 

Der Welpe begrüsst die Mutterhündin, indem er an ihre Lefzen hochspringt und vielleicht etwas Fressbares von ihrem Fang ergattert. Mit der Schnauze die Lefze berühren, daran riechen oder sie kurz ablecken, das ist hündische Kommunikation – bei Hunden, die einander mögen, eine Sympathiebekundung. Ein Welpe sucht die Kommunikation auf Augenhöhe ebenfalls beim Menschen, wenn ihm dieser Aufmerksamkeit schenkt, sich hinunterbeugt und streichelt, mit Augenkontakt, Gesten oder Worten animiert und dessen Neugierde weckt.

Je nach Erregungszustand und Erwartungshaltung wird das Anspringen körperbetonter. Dann geht es nicht um Begrüssung, sondern um Aufregung. Hektisches An- oder Hochspringen, allenfalls mit Klammern, dient dem Stressaubbau, wird als Übersprungshandlung bezeichnet, wenn der Hund mit einer Situation nicht klarkommt. Zum Beispiel, wenn der Halter auf dem Spaziergang Bekannte antrifft und stehen bleibt. 

Prävention statt Strafe
Auslöser kann der unentschlossene, gestresste Mensch sein, der nicht einzuschätzen ist und sich entgegen der Erwartung des Hundes verhält. Es geht also beim Anspringen weder um Dominanz noch um unterwürfiges Verhalten gegenüber einem sogenannt Ranghöheren, noch geht es um Respektlosigkeit, wie es etwa bei Martin Rütters Hundeschule «Dogs» heisst.

Eine Korrektur des Menschen durch Strafen verschärft die Situation meistens. Der Hund versteht die Sanktion nicht, weil er sie nicht in den Zusammenhang seines Handelns stellen kann, das seinem Bedürfnis entspringt. Aversive (ablehnende) Methoden wie etwa Anheben des Knies, auf die Pfoten treten, an der Leine hochheben oder andere Formen der Gewalt sind schlechte Ratgeber. Sie können Aggression auslösen, zu falschen Verknüpfungen führen und schaden letztlich dem Vertrauensverhältnis zwischen Hund und Mensch. 

Lernen, nicht hochzuspringen, ist eigentlich einfach. Zuerst sollte sich der Mensch darüber klar werden, in welchen Situationen und unter welchen Bedingungen der Hund hochspringt. Was ist der Auslöser, lautet die Frage. Prävention ist dann die wichtigste Massnahme. Der Mensch soll die Situation frühzeitig erkennen, das Ausdrucksverhalten des Hundes beobachten und es gar nicht zum Anspringen kommen lassen.  

Distanz und Konsequenz
Halterin oder Halter müssen die Distanz zur Reizquelle wahren, je nach Erregungslevel des Hundes diese umgehen oder ihn rechtzeitig abbremsen. Die Leine dient dabei der Sicherheit. Damit unterstützt man den Hund und setzt ihm eine Grenze – ohne Ruck. Es geht darum, dass der Hund keinen Fehler macht und nicht mehr ins unerwünschte Verhalten fällt. Das geschieht zuerst mit sicherem Abstand.  

Gelingt das, so reicht vielfach ein ruhig ausgesprochenes Lobwort, womit «unten bleiben» bezeichnet werden kann, vielleicht verknüpft mit einer Futterbelohnung. Der Hund erlernt so auf einfache Weise ein erwünschtes Verhalten. Es gibt auch positive Methoden, bei denen dem Hund ein Alternativverhalten angeboten wird. Wenn er mit allen vier Pfoten auf dem Boden bleibt, gibt es im richtigen Augenblick eine Belohnung, die mit einem Wort verknüpft wird.

Diese Trainingssituationen wiederholt man während einer gewissen Zeit und achtet darauf, dass der Hund das unerwünschte Verhalten nicht mehr zeigen muss. Danach wird die Distanz zum Anspring-Objekt in kleinen Schritten reduziert. Bis die Gewohnheit eines erlernten Hochspringens abgelegt ist, braucht es Geduld und ein konsequentes Management. 

Wichtig ist, dass die Menschen, mit denen die Situation geübt wird oder die sich im Umfeld des Hundes aufhalten, gut instruiert werden. Sie sollen den Hund nicht beachten, ihn ignorieren und, wenn er zum Sprung ansetzen will, Distanz schaffen, sich abdrehen und Arme verschränken.

Die Hand wird zum Hundekopf
Will man den Kontakt im Freundeskreis zum Hund ermöglichen, dann auf ruhige Art, zum Beispiel mit dem langsamen Anbieten des Handrückens, in der Hocke und damit auf Augenhöhe. Dorit Feddersen-Peterson, Verhaltensforscherin und Fachbuchautorin, spricht bei stürmischen Begrüssungen von Liebesbezeugungen. Statt eines Verbotes rät sie, die menschliche Hand zum Kopf werden zu lassen und den Welpen zu streicheln, und zwar ruhig und nicht über den Kopf. Das komme einer Schnauzenzärtlichkeit gleich.

Wie überschwänglich einen der eigene Hund begrüssen darf, muss jeder Halter und jede Halterin selber entscheiden. Wer es nicht will, ignoriert den Hund und dessen Aufregung, wendet sich ab und schenkt ihm erst Aufmerksamkeit, wenn er die vier Pfoten am Boden hat. Da lohnt es sich, beim Eingangsbereich eine Art Sperrzone zu schaffen, beispielsweise mit einer Absperrtüre. Kommt Besuch, so hält man den jungen Hund zurück oder bringt ihn in einen anderen Raum. Er darf erst wieder zu den Menschen dazustossen, wenn alle zu Tisch sitzen und sich die Aufregung gelegt hat. 

Wer für Begrüssungen solche Rituale aufbaut, konsequent ist und dem Hund nicht ermöglicht, das Falsche zu erlernen, wird sich mit dem Thema An- oder Hochspringen nicht lange herumschlagen müssen.  

* Name geändert.