Eine Wanderung über Stock und Stein ist nicht nur für Menschen ein wundervolles Erlebnis. Auch Hunde schätzen das Abenteuer, durch unbekannte Gebiete voller neuer Gerüche und frischer Höhenluft zu laufen. Allerdings gibt es für sie auch knifflige Situationen: beispielsweise eine Mutterkuhherde, die es zu queren gilt, oder steile, felsige Stellen, die nur per Leiter erklimmbar sind – was für den Hund nicht machbar ist. 

«Ganz wichtig ist es, die Tour vorgängig gut zu planen», sagt Livia Waser von der Tourismusorganisation «H-und.ch». Sie empfiehlt die Karten von Schweiz Mobil, auf denen nicht nur Wanderwege, sondern auch Mutterkuh- oder Schafherden verzeichnet sind, die von Herdenschutzhunden bewacht werden, sowie Naturschutzgebiete, in denen für den Hund Leinenpflicht gilt. «Es ist wichtig, dass diese eingehalten wird. Ansonsten drohen weitere Hundeverbote.» Sie appelliert daran, örtliche Regeln einzuhalten. «Denn schliesslich respektieren wir die Natur.»

Des Weiteren müsse die Routenplanung auf die körperliche Verfassung des Hundes abgestimmt sein. «Wie fit ein Hund ist, müssen die Halter abschätzen können», sagt Waser. Das sei sehr individuell und nicht von der Rasse abhängig. Wichtig sei, nichts zu forcieren und nicht an die Grenzen gehen. 

Mit diesen Gedanken im Hinterkopf nehme ich mir  gemeinsam mit meiner Labradorhündin Xavi eine relativ sanfte, schätzungsweise fünfstündige Tour über den Mont Raimeux im Jura vor. Vom Bahnhof Moutier BE aus geht es zunächst gleich mal tüchtig bergauf. Der Wanderweg geht durch den Wald, ist also schattig, das macht es für den Hund angenehm – und auch für mich.

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Kühe und Herdenschutzhunde
Der Ausblick, der mit jedem erklommenen Höhenmeter besser wird, plus der sanfte Duft von Nadelholz, entschädigt für die Anfangsstrapazen. Noch was Spannendes scheint in der Luft zu liegen, wie Xavis Nasenflügel anzeigen. Ein Reh? Ich nehme die Hündin an die Leine. Auch wenn ich sie schnell zurückrufen kann, will ich nicht riskieren, dass sie einem Wildtier hinterherjagt. Die Spur des Wildes verflüchtigt sich und Xavi beruhigt sich.

Als wir aus dem Wald heraustreten und das Plateau nur noch sanft ansteigt, wartet die nächste Herausforderung: eine Viehweide mit Rindern. Zum Glück keine Mutterkühe, aber die Jungrinder sind sehr neugierig und laufen auf Xavi zu. Sie begegnet nicht das erste Mal Kühen, deshalb bleibt sie ruhig und entfernt sich, wenn sie sich bedrängt fühlt. Für andere Hunde wirken neugierige Jungrinder bedrohlich, weshalb es wichtig ist, dass man sie nahe bei sich führt, am besten an der Leine, und Ruhe bewahrt. Ich stelle mich meistens zwischen Kühe und Hund, so kann ich auf beide Seiten beruhigend einwirken. 

Frei lassen sollte man den Hund dann, wenn absehbar ist, dass eine Kuh angreifen will, rät die Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft (BUL) – damit er flüchten kann. Noch heikler sind Begegnungen mit Herdenschutzhunden, denn diese sehen in fremden Hunden eine grosse Gefahr für die Schafe und verteidigen diese vehement. «Versuchen Sie nie, mit Ihrem Hund eine geschützte Herde zu durchqueren, sondern umgehen Sie diese weiträumig. Im Zweifelsfalle umkehren», rät die Fachstelle für Herdenschutz. Noch besser ist es, solche
Gebiete von vornherein zu meiden. 

Auf dem Mont Raimeux gibt es weder Schafe noch Schutzhunde, und nachdem auch die Begegnung mit den jungen Rindern ohne grosses Tohuwabohu vonstatten ging, wird nun ein anderes Thema aktuell: das Wasser. Ich habe zwar vorsorglich eine Wasserflasche mitgenommen, die ist aber bald leer. Und eigentlich habe ich damit gerechnet, dass Xavi aus Weidetrögen trinken kann. Hier gibt es aber lediglich Viehtränken, die ein Labrador mit seiner Schnauze nicht erreicht.

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Möglichst früh loslaufen
Erst auf dem Höhenplateau des Mont Raimeux steht ein Brunnen, der uns beiden Durstigen Erleichterung bringt. Xavi muss sich mit dem Trinken allerdings etwas beeilen, von hinten nähert sich nämlich eine Gruppe ebenso durstiger Rinder. Ich führe sie vom Brunnen weg und aus der Weide heraus, wo wir uns frisch gestärkt auf den Abstieg in Richtung Rebeuvelier, südlich von Delémont JU, machen. Der Weg führt im Zickzack den Hang hinunter, Schatten ist anfangs noch rar, die Sonne steht im Zenit und heizt unerbittlich ein. «Ich rate den Wandernden immer, ganz früh loszulaufen», sagt Hundetourismus­expertin Livia Waser. «Und so oder so zu schauen, dass die Route genügend schattige Passagen beinhaltet.» 

Nun werden auch wir erlöst, der Wanderpfad führt in den Wald. Zumindest während einigen Kilometern, danach stehen wir plötzlich wieder auf einer Kuhweide. Kälber blicken neugierig entgegen, doch als dahinter eine grosse Kuh auftaucht, wird mir klar, dass es sich wohl um Mutterkühe mit ihren Kälbern handelt. «Nix wie weg!», denke ich mir, wobei man bekanntlich überhastete Bewegungen vermeiden sollte. Zum Glück ist der Weidezaun ganz nah, und so kann ich zunächst Xavi unter dem Draht durchlassen – dabei aufpassen, dass sie keinen Stromschlag abbekommt – und danach selber durch den Zaun schlüpfen. Die Mutterkühe sind durch die «Flucht» beruhigt und wenden sich wieder den frischen Gräsern zu. 

Dummerweise habe ich durch die Rettungsaktion den Wanderpfad verloren, der notabene auch nicht mehr markiert ist, und so gestalten sich die letzten 500 Meter bis zum Dorfrand etwas beschwerlich – querfeldein durch den Jurawald, der Boden ist teilweise rutschig. Aber schliesslich erreichen wir das Wanderziel Rebeuvelier, finden die Bushaltestelle und sind erfreut, dass gleich daneben der Dorfbrunnen zur Erfrischung lädt.