Am Anfang ist die Absicht nur die beste: Der als Welpe ins Haus eingezogene Hund soll bis zu seinem Tod bleiben. Mitunter sieht die Realität anders aus. «Auch wenn Umplatzierungen möglichst vermieden werden sollten, gibt es doch zahlreiche Situationen, in denen sie unausweichlich werden», sagt die Tierärztin und diplomierte tierpsychologische Beraterin Nadja Berger von Pfotenpsychologie in Gossau ZH. Allzu eng sehen dürfe man das Band fürs Leben deshalb nicht. Kann der Hunde beispielsweise die Erwartungshaltung des Halters nicht erfüllen und steht daher ständig unter Stress, befürwortet Berger ebenso einen Halterwechsel. «Wenn der Hund danach an einen Platz kommt, wo man Freude an ihm hat, ist das für ihn eine neue Chance.»

Der Schweizer Tierschutz (STS) verurteilt eine Trennung von Hund und Halter ebenfalls nicht grundsätzlich. Gerade Schicksalsschläge rechtfertigen laut Lucia Oeschger von der Fachstelle Heimtiere des STS oftmals die Suche nach einem neuen Platz für den Hund. «Die Liste der aus Tierschutzsicht akzeptablen Gründe, einen Hund abzugeben, ist lang und sehr individuell», sagt Oeschger. «Schwerwiegende Erkrankungen, Todesfälle und unvorhersehbare Veränderungen der Lebensumstände sind nur einige Beispiele.»

Abgabe aus rechtlicher Sicht
Manchmal ist eine Umplatzierung des Hundes zu dessen Schutz sogar zwingend, selbst wenn das Gesetz noch Spielraum lassen würde, wie Bianca Körner, Juristin und rechtswissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Stiftung Tier im Recht (TIR), sagt. «Das Tierschutzrecht sieht lediglich Minimalanforderungen für die Haltung von und den Umgang mit Tieren vor. Werden die Bedürfnisse des Tieres nicht mehr vollumfänglich erfüllt, kann aus Tierschutzsicht die Abgabe eines Hundes angezeigt sein, obwohl die rechtlichen Minimalanforderungen noch eingehalten werden.»
 

Die Liste der aus Tierschutzsicht akzeptablen Gründe, einen Hund abzugeben, ist lang und sehr individuell

Lucia Oeschger
Schweizer Tierschutz STS

Stets stellt sich die Frage: Wohin mit dem Hund? Tiere einfach auszusetzen ist in der Schweiz verboten. Laut Körner von der Stiftung TIR kann dies mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden. Einige Hunde haben das Glück, im privaten Umfeld des ehemaligen Halters ein neues Zuhause zu finden. In einem solchen Fall rät Körner, die zukünftige Unterkunft unbedingt zu besichtigen. «Man sollte sicherstellen, dass die Tierschutzbestimmungen dort eingehalten werden und das Wohlergehen des Hundes garantiert ist.» Eine schriftliche Regelung sei wichtig, da diese unter anderem ermöglicht, die Nichteinhaltung von Bedingungen mit einer Konventionalstrafe zu belegen.

Häufig gedankenlose Anschaffung
Stammt der Hund aus einer seriösen Zucht, kann er laut Tierpsychologin Nadja Berger oftmals durch den Züchter weitervermittelt werden. Meistens landet ein Hund allerdings im Tierheim. «Dann ist Fingerspitzengefühl bei der weiteren Vermittlung gefragt, damit der Hund und der neue Halter auch gut zusammenpassen», sagt Berger. Dieses Fingerspitzengefühl beweise beispielsweise der Tierschutzbund Basel, der als Sektion des STS laut Geschäftsführerin Mahena Haizmann jährlich rund 50 Hunde vermittelt. «In der Regel können wir unsere Hunde gut platzieren. Nur bei Tieren, die aufgrund falscher Haltung bereits Verhaltensauffälligkeiten zeigen, kann es etwas länger dauern.»

Die meisten Hunde würden von ihren Besitzern abgegeben. Nur die wenigsten sähen sich mit einem Schicksalsschlag konfrontiert, sagt Haizmann. «Meistens hat man sich vor der Anschaffung des Hundes zu wenig Gedanken über die Konsequenzen gemacht. Oft werden als Grund plötzlich auftretende Allergien oder Überforderung angegeben.» Die Aufnahme regelt Haizmann vertraglich, denn rechtlich gesehen gibt der Eigentümer mit seinem Verzicht sein Recht am Tier auf. Um später eine bestmögliche Platzierung zu gewährleisten, sei sie auf detaillierte Informationen zu Charakter, Gesundheit und Impfstatus des Hundes angewiesen, sagt Haizmann. Besonders in den ersten Tagen fällt vielen Hunden nach seinen Einschätzung die neue Situation schwer. «Sie verstehen nicht, was gerade passiert. Daher ist es in dieser Zeit wichtig, dem Hund die nötige Fürsorge und Sicherheit zu geben.»

Hunde verstehen nicht, was gerade passiert. Daher ist es in dieser Zeit wichtig, ihnen die nötige Fürsorge und Sicherheit zu geben.

Mahena Haizmann
Tierschutzbund Basel

Aus diesem Grund erachtet Tierschützerin Lucia Oeschger gut geführte Tierheime als meist die beste Lösung. «Geschulte Fachpersonen kümmern sich dort um den Hund und seine geeignete Vermittlung.» Viele Tierheime könnten auf erfahrene Hundetrainer oder -psychologen zurückgreifen, die Hunde professionell betreuen. «Sie sorgen dafür, dass der Hund nicht zum ‹Wanderpokal› wird und geben prinzipiell sämtliche Tiere mit einem Schutzvertrag ab», sagt Oeschger. So könne der Hund ohne Kenntnis des Tierheims nicht mehr abgegeben werden.

Meist gestaltet sich eine Umplatzierung einfach. Dennoch rechtfertigt sie keine unzulängliche Abklärung vor der Anschaffung, ob der gewünschte Hund von Grösse und Temperament her zu einem passt und ob man rasch überfordert wäre. Die gute Bindung zum Menschen während der Prägungsphasen ist laut Nadja Berger zudem essenziell. «Einem Hund, der als Welpe liebevoll aufgezogen wurde und gute Bindungen zum Züchter und zum Halter hatte, fällt es viel leichter, sich auch nach einem Besitzerwechsel wieder eng an seinen neuen Menschen zu binden», erklärt die Tierpsychologin.

Tierschutzfälle sind komplizierter
Für schwierig hält sie eine Weitervermittlung nur in seltenen Fällen. «Wenn der Hund aus Tierschutzgründen umplatziert werden muss, können mehrere Faktoren zusammenspielen. Dann muss der neue Halter viel Erfahrung mitbringen und gewillt sein, viel Zeit zu investieren.» Auch Hunde, die sozial isoliert aufwachsen, binden sich erst nach längerer Eingewöhnungszeit und dann meist extrem stark. «Für sie ist ein Besitzerwechsel noch viel schwieriger. Hier braucht es sehr viel Fingerspitzengefühl des neuen Halters», sagt Berger.

Ungeachtet der Abgabegründe hält Berger es für sinnvoll, einen klaren Trennstrich zu ziehen, wie es auch Mahena Haizmann vom Tierschutzbund Basel macht. «Der ehemalige Halter sollte den Vierbeiner nicht mehr sehen. Sonst wird es für den Hund nie klar, wo er jetzt wirklich hingehört.» Gerade bei Hunden, die sich vorher stark an ihren Menschen gebunden haben, sei es noch wichtiger, einen klaren Trennstrich zu ziehen. Mit einer Ausnahme: Wenn der Hund innerhalb der Familie umplatziert wird oder zu einer Person kommt, zu der er bereits vorher eine Bindung aufbauen konnte.